Fall Nemzow: Tschetschene gestand laut Richterin Beteiligung an Mord

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Die Behörden nahmen am Wochenende fünf Männer mit Verbindungen in den Kaukasus fest. Kreml-Kritiker beschuldigen Moskau jedoch eines Auftragsmords.

Wien/Moskau. Paukenschlag im Mordfall Boris Nemzow: Bei den Ermittlungen zum Fall des Kreml-Kritikers hat die russische Polizei an diesem Wochenende insgesamt fünf Verdächtige mit Verbindungen in den Kaukasus festgenommen, von denen einer die Beteiligung an der Tat nach Aussagen der Moskauer Richterin Natalja Muschnikowa zugegeben haben soll. Der Tschetschene Saur Dadajew habe ein „Geständnis“ unterzeichnet, hieß es. Er und ein weiterer Tschetschene wurden wegen Mordes angeklagt und müssen in Untersuchungshaft bleiben.

Ermittler verfolgen Spur eines Auftragsmords

Die Verdächtigen wurden von schwer bewaffneten Polizisten in Handschellen in den Gerichtssaal geführt und in Käfige gesperrt. Laut Nachrichtenagentur Tass stehen sie gemäß Artikel 105 Absatz 2 des russischen Strafgesetzbuchs unter Verdacht, zusammen einen Mord verübt zu haben, um "sich zu bereichern oder im Auftrag". Dies deutet darauf hin, dass die Ermittler die Spur eines Auftragsmords verfolgen.

Dadajew und Ansor Gubatschew waren bereits am Samstag in der tschetschenischen Nachbarrepublik Inguschetien festgenommen worden, wo die russische Regierung seit Jahren einen islamistischen Aufstand bekämpft. Dadajew war laut Medienberichten früher stellvertretender Chef einer tschetschenischen Polizeieinheit. Gubatschew soll für einen privaten Sicherheitsdienst gearbeitet haben. Er erklärte sich für unschuldig. Auch Gubatschews 31-jähriger Bruder und zwei Männer im Alter von 45 und etwa 35 Jahren wurden festgenommen, sie wurden aber zunächst nicht angeklagt. Auch sie beteuerten ihre Unschuld.

Nemzow-Ermordung löste weltweit Bestürzung aus

Der 55-jährige Nemzow ist am Abend des 27. Februar auf einer Brücke vor den Mauern des Kreml im Zentrum Moskaus erschossen worden. Die Ermordung des Regierungsgegners löste in Russland und weltweit Bestürzung aus: Der frühere Vizeministerpräsident war einer der prominentesten Kritiker von Staatschef Wladimir Putin und ein entschiedener Kritiker der russischen Ukraine-Politik. Laut Weggefährten arbeitete er an einem Bericht, der die Unterstützung der dortigen prorussischen Rebellen durch das russische Militär beweisen sollte. Moskau bestreitet eine solche Unterstützung.

Der frühere Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und heutige Abgeordnete Nikolai Kowalew sagte nach den Festnahmen, es handle es sich womöglich um Auftragsmörder. Entscheidend sei, die Hintermänner des Verbrechens ausfindig zu machen. Der Kreml hatte die Tat als eine gegen die Regierung gerichtete „Provokation“ bezeichnet. Das Ermittlungskomitee nannte den Mord einen „Versuch zur Destabilisierung der politischen Lage im Land“.

„Nicht der Schuldige wird bestraft“

Die Ermittler untersuchen einen islamistischen oder nationalistischen Tathintergrund. Kreml-Kritiker Alexej Nawalny beschuldigte hingegen die Staatsführung, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Andere Oppositionelle sehen die Regierung zumindest mitverantwortlich.

Auch Nemzows Tochter Schanna vermutet den Kreml hinter dem Verbrechen. „Ich bin mir sicher, es war ein politisch motivierter Mord“, sagte die 30-Jährige der deutschen Zeitung „Bild am Sonntag“. Sie sei überzeugt, dass das Attentat „mit voller Unterstützung der Machthaber begangen wurde. Dass die Täter sicher waren, dass sie nicht bestraft werden.“ An eine Aufklärung des Verbrechens glaubt Nemzows älteste Tochter nicht: „Irgendjemand wird bestraft werden, aber nicht der wirklich Schuldige.“

Der Mord an Nemzow reiht sich ein in eine Vielzahl ähnlicher Verbrechen, denen in den vergangenen Jahren Oppositionelle zum Opfer fielen. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2015/APA/AFP)

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