Moldawien: Präsident spricht von "Putschversuch"

Blutige Demonstrationen in Chisinau
Blutige Demonstrationen in Chisinau(c) Reuters (Gleb Garanich)
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Demonstranten besetzten nach dem Wahlsieg der Kommunisten das Parlaments-Gebäude. Sie forderten: "Wir wollen zu Europa gehören". 193 Personen wurden verhaftet.

Nach den blutigen Krawallen in Chisinau, der Hauptstadt von Moldawien (Republik Moldau), hat die Polizei in der Nacht auf Mittwoch das von Demonstranten besetzte Parlamentsgebäude unter ihre Kontrolle gebracht. Einheiten der Bereitschaftspolizei bezogen im und um das Gebäude Stellung. Amtlichen Angaben zufolge wurden 193 Demonstranten festgenommen. Ihnen werden Plünderungen, Rowdytum, Raub und kriminelle Übergriffe vorgeworfen.

Protest gegen Wahlsieg der Kommunisten

Bei den Ausschreitungen war am Dienstag mindestens eine Frau im brennenden Parlament ums Leben gekommen. Ärzte sprachen nach Agenturangaben von etwa 100 Verletzten, die in Krankenhäuser gebracht worden seien. Die Oppositionsanhänger protestierten gegen den erneuten Sieg der Kommunisten bei der Parlamentswahl vom vergangenen Sonntag.

Präsident Vladimir Voronin sprach von einem "Putschversuch". Die Opposition forderte den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen innerhalb von drei Monaten. Dabei hatten Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Parlamentswahl als demokratisch mit einigen Defiziten gelobt.

Etwa 500 von ihnen hielten sich zunächst Wein trinkend in der Nähe des Regierungsgebäudes auf, das von einem starken Polizeiaufgebot geschützt wurde. Die Polizei drängte die wenigen Demonstranten weg, die sich zuletzt noch auf dem Platz vor dem Gebäude befanden. Dort hatten sich der Staatspräsident Voronin von der Kommunistischen Partei Moldawiens und andere führende Politiker verschanzt.

"Hintermänner wollen Land destabilisieren"

Die Demonstranten und die Opposition kündigten für Mittwoch weitere Proteste gegen die nach ihren Aussagen manipulierte Parlamentswahl vom Sonntag an. Staatschef Voronin sagte, die "Hintermänner" der Proteste hätten das "Ziel", das Land zu destabilisieren. Der russische Präsident Dmitri Medwedjew drängte seinen moldawischen Kollegen, die Krise schnell und friedlich beizulegen.

EU-Chefdiplomat Javier Solana bezeichnete die "Gewalt gegen Regierungseinrichtungen" als inakzeptabel. Rumäniens Regierung wies Vorwürfe zurück, wonach Bukarest hinter den Krawallen stehe. Viele der überwiegend jugendlichen Demonstranten hatten den Anschluss an das Nachbarland Rumänien gefordert.

Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein

Nach dem Wahlsieg der Kommunistischen Partei in Moldawien war es am Dienstag zu Unruhen in Chisinau gekommen. Im Anschluss an eine Demonstration, an der am zweiten Tag in Folge mehr als 10.000 Menschen teilnahmen, trotzten Regierungsgegner Wasserwerfern und Tränengas der Polizei und stürmten das Parlament sowie den Sitz des Präsidenten.

Demonstranten trugen Möbel aus dem Parlamentsgebäude auf die Straße und steckten sie in Brand. Aus den oberen Etagen des brennenden Parlaments warfen sie am Abend Computer und persönliche Gegenstände der Abgeordneten auf die Straße. Auf dem Präsidentensitz hissten sie die Europa-Flagge. Nach Angaben des Notfallkrankenhauses in Chisinau wurden etwa hundert Menschen verletzt, zwei von ihnen schwer.

"Wir wollen zu Europa gehören"

Die Demonstranten, unter ihnen viele Anhänger der bei der Wahl am Sonntag unterlegenen liberalen Opposition, skandierten "Nieder mit den Kommunisten" und "Wir wollen zu Europa gehören", andere verbrannten Fahnen der Kommunistischen Partei und die Flagge der Sowjetunion.

Die Kommunistische Partei (PCRM) war aus der Wahl mit knapp 50 Prozent der Stimmen als klare Siegerin hervorgegangen. Die oppositionelle Liberale Partei landete mit knapp 13 Prozent weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz, gefolgt von den Liberal-Demokraten mit gut 12 Prozent.

Nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsprach der Urnengang im Großen und Ganzen demokratischen Standards. Die Opposition fordert dagegen eine Neuauszählung der Stimmen. Der Bürgermeister von Chisinau und Vize-Chef der Liberalen Partei, Dorin Chirtoaca, verwies auf Unregelmäßigkeiten während der Wahl.

Das neu gewählte Parlament muss bis zum 8. Juni einen Nachfolger für Präsident Voronin bestimmen, der laut Verfassung nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Nach der Wiederwahl seiner Partei im Jahr 2005 vollzog Voronin eine Kehrtwende vom bisherigen pro-russischen Kurs in Richtung Europäische Union, um seinem verarmten Land Wirtschaftshilfen zu sichern.

(Ag.)

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