Südkorea: Hitzige Debatte um Raketenabwehr

SOUTH KOREA USA PROTEST
SOUTH KOREA USA PROTEST(c) APA/EPA/KIM CHUL-SOO (KIM CHUL-SOO)
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Auch zum Schutz der eigenen 28.500 Soldaten auf der koreanischen Halbinsel fordern US-Militärs die Installierung eines Raketenabwehrsystems. Das passt aber den Chinesen gar nicht.

Seoul/Wien. Jetzt brandet auch in Südkorea eine hitzige Diskussion über die Installierung eines amerikanischen Raketenabwehrsystems auf der Halbinsel auf: „Thaad“ ist das hässliche Akronym, das seit Wochen in sämtlichen südkoreanischen Medien auftaucht. Es steht für „Terminal High Altitude Aera Defence“ (das System soll angreifende Raketen mittels eines Abfanggeschosses durch die kinetische Energie des Zusammenpralls zerstören). Immer lauter fordern amerikanische Militärs, ein solches Raketenabwehrsystem in Südkorea zu installieren – und bringen damit die Regierenden in Seoul in Verlegenheit, zumal sich jetzt auch Peking in diese innenpolitisch heikle Frage einzumischen beginnt.

Ausgangspunkt für die ganze Debatte ist das immer größer und effizienter werdende nordkoreanische Raketenarsenal. Immer dann, wenn Südkorea und die USA gemeinsame Manöver abhalten, sieht sich das Regime in Pjöngjang veranlasst, sein Arsenal zu testen und Raketen in Richtung Japanisches Meer (nach koreanischer Diktion: „Ostmeer“) abzufeuern.

„Bombardiert keine Fische!“

Erst im März ließ es der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un wieder richtig krachen, was einen in Südkorea stationierten Oberst der US-Armee zu dem Appell an Pjöngjang veranlasste: „Bitte hört auf, Fische zu bombardieren und fangt lieber damit an, eure hungernden Leute zu ernähren.“

Die Amerikaner haben noch immer 28.500 Militärs in Südkorea stationiert. Auch zum Schutz dieser eigenen Truppen gegen die nordkoreanische Bedrohung fordert der Befehlshaber des US-Pazifik-Kommandos, General Vincent Brooks, das Raketenabwehrsystem Thaad in Südkorea zu errichten.

Das aber schmeckt China gar nicht. Mitte März empfahl der zu Besuch in Seoul weilende hohe chinesische Diplomat Liu Jianchao den Südkoreaner dringend: „Bei der Frage der Aufstellung eines Raketenabwehrsystems auf der koreanischen Halbinsel ist sehr wichtig, die Aufmerksamkeit und auch die Sorgen Pekings mit zu berücksichtigen.“ Südkorea und die USA empfanden das sogleich als unverhohlene Einmischung in eigene Angelegenheiten. „Ein Nachbar kann natürlich seine Positionen zum Raketenabwehrsystem Thaad haben. Aber er sollte nicht versuchen, Einfluss auf unsere Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu nehmen“, kommentierte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul. Der hohe, für Ostasien zuständige US-Spitzendiplomat Daniel Russel wiederum meinte: „Ich finde es ausgesprochen kurios, dass ein Drittland sich mit starken Worten zu einem Sicherheitssystem äußert, das noch gar nicht installiert und noch Theorie ist.“

Im Amt der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye wird darauf verwiesen, dass der Stand der Dinge in der Frage Raketenabwehr bereits seit zwei Jahren unverändert sei: Es gebe kein Gesuch der USA in dieser Sache; es gebe keine Verhandlungen mit dem Verbündeten darüber und deshalb sei noch keine Entscheidung gefallen.

Die südkoreanische Öffentlichkeit selbst ist gespalten: auf der einen Seite jene, die argumentieren, man müsse die chinesischen Einwände sehr wohl berücksichtigen, schließlich sei die Volksrepublik mittlerweile der größte Handelspartner Südkoreas.

Klare Signale an Peking

Auf der anderen Seite jene, die sagen, China dürfe sich nicht in die souveränen Angelegenheiten Südkoreas einmischen, und man dürfe nicht zulassen, dass Peking das Verteidigungsbündnis mit den USA zu unterminieren versuche. In der Saenuri-Partei von Präsidentin Park heißt, es Seoul sollte den Chinesen klar signalisieren, das Raketenabwehrsystem werde installiert, sobald Nordkorea einen weiteren Atomtest durchführe. Und wenn Nordkorea weiter Raketen teste, solle Peking doch bitte mit seinen Einmischungsversuchen in Südkorea in Sachen Thaad aufhören.

Die Amerikaner weisen darauf hin, dass das Raketenabwehrsystem in keiner Weise gegen das chinesische Raketenarsenal gerichtet sei. Mit ihrer Reichweite (200 Kilometer) und Flughöhe (150 Kilometer) seien Thaad-Raketen nur zur lokalen Raketenabwehr – eben gegen nordkoreanische Geschosse – imstande. Im Übrigen sei auch China selbst eifrig dabei, sein eigenes Raketenabwehrsystem zu entwickeln und laufend zu testen.

AUF EINEN BLICK

Thaad steht für „Theater High Altitude Area Defence“. Dieses Abwehrsystem soll Raketen, die gegen eine Region oder einen Kriegsschauplatz gerichtet sind, noch in der Luft abfangen; die Reichweite einer solchen Abfangrakete beträgt 200 Kilometer, die maximale Flughöhe 150 Kilometer. Gebaut wird das System von der Lockheed Martin Corp. 2013 wurden über 300 dieser Lenkwaffen bestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2015)

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