Nuklearabkommen: Iran unterstellt USA „böse Absichten“

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Irans Führung fordert, dass die Sanktionen gegen das Land mit einem Schlag beendet werden. Washington interpretiert die Bestimmungen im Atomdeal aber anders.

Teheran/Genf/Washington. Mit großem Pathos ist in Teheran und Washington vergangene Woche die Grundsatzeinigung im Atomstreit gefeiert worden. Von einem „historischen Übereinkommen“ war die Rede und davon, dass es bis zum Abschluss des endgültigen Vertrages am 30. Juni noch „wichtige Details“ zu klären gelte. Doch nun werden bereits die ersten Risse sichtbar: Der oberste geistliche Führer und eigentliche Machthaber im Iran, Ayatollah Ali Khamenei, warnte am Donnerstag vor zu großen Hoffnungen auf einen abschließenden Vertrag zur Beilegung des Atomstreits. Die im schweizerischen Lausanne getroffenen Vereinbarungen dürften nicht überschätzt werden, sagte Khamenei im iranischen Fernsehen. „Der Teufel steckt im Detail. Und Details könnten von den anderen Staaten genutzt werden, um dem Iran Fesseln anzulegen.“ Aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen sei er nicht optimistisch, was Verhandlungen mit den USA betreffe. Ein US-Dokument zu den Gesprächen von Lausanne belege „die bösen Absichten der USA“.

Es sei daher besser, keine Vereinbarung abzuschließen als eine schlechte, sagte Khamenei. Und er verlangte, dass die internationalen Strafmaßnahmen gegen den Iran nicht stufenweise aufgehoben, sondern am Tag der Unterzeichnung eines Atomvertrages mit einem Schlag beendet werden müssten.

USA wollen „schrittweise Aufhebung“

Diese Forderung kam auch vom Präsidenten des Iran, Hassan Rohani, der de facto die Nummer zwei im Staat ist. „Wir werden keine Vereinbarung unterzeichnen, wenn nicht am selben Tag alle Sanktionen aufgehoben werden“, erklärte er am Donnerstag.

US-Außenminister John Kerry hat diesen Punkt des Atomdeals ursprünglich aber anders interpretiert. Die Sanktionen gegen den Iran würden „Schritt für Schritt“ aufgehoben, jeweils abhängig von den Maßnahmen Teherans zur Umsetzung der Vertragsverpflichtungen, beteuerte der US-Außenminister, nachdem sich der Iran und die Ländergruppe 5+1 (Vetomächte der UNO plus Deutschland) in der Schweiz auf die Eckpunkte eines künftigen Abkommens geeinigt hatten. Die fünfseitige Vereinbarung von Lausanne, die auf Englisch und auf Farsi wortgleich ist, lässt beide Interpretationen zu. Danach sollen die Sanktionen, die seit 2008 vom UNO-Sicherheitsrat sowie bilateral von den USA und der EU im Streit um Teherans Nuklearprogramm verhängt wurden, „aufgehoben beziehungsweise suspendiert werden, nachdem die Internationale Atomenergiebehörde IAEA bestätigt hat, dass der Iran alle seine nuklearrelevanten Verpflichtungen umgesetzt hat“, die in den Eckpunkten vereinbart wurden.

Dazu gehören der Abbau der betriebsbereiten Zentrifugen von derzeit über 19.000 auf 6100, die Einlagerung der abgebauten Zentrifugen in Depots unter ständiger Kontrolle der IAEA, der Export von 97 Prozent der existierenden Vorräte von 10.000 Tonnen schwach angereicherten Urans ins Ausland und die Zerstörung oder der Auslandsexport aller Teile des in Bau befindlichen Druckröhrenreaktors in Arak, mit denen sich waffenfähiges Plutonium herstellen ließe.

CIA-Direktor lobt Abkommen

Kerry schätzte den erforderlichen Zeitbedarf für die Umsetzung aller iranischen Vertragsverpflichtungen und ihre Zertifizierung durch die IAEA auf mindestens vier bis acht Monate ein. Theoretisch könnte der Iran natürlich bereits vor der Unterzeichnung eines Abkommens mit der Umsetzung der Verpflichtungen beginnen und damit den Zeitraum für die Zertifizierung der Umsetzung durch die IAEA und die Aufhebung der Sanktionen im besten Fall auf wenige Tage nach der Vertragsunterzeichnung begrenzen.

Der Direktor des US-Geheimdienstes CIA, der neben dem israelischen Mossad über die umfassendsten Erkenntnisse über Teherans Nuklearprogramm verfügt, hat unterdessen Kritik an der Vereinbarung von Lausanne mit scharfen Worten zurückgewiesen. „Diejenigen, die sagen, dass diese Vereinbarung mit Teheran den Weg zu einer iranischen Atombombe bereitet, sind aus meiner Sicht vollkommen unaufrichtig, wenn sie die Fakten kennen und verstehen, was für ein Atomprogramm benötigt wird“, erklärte John Brennan bei einer Veranstaltung an der US-Eliteuniversität Harvard.

Den entsprechenden Vorwurf hatten Israels Premier, Benjamin Netanjahu, und republikanische Mitglieder des US-Kongresses erhoben. Die Einigung mit Teheran beinhalte nicht nur einen Stopp der Anreicherung von Uran und Plutonium, sondern auch sehr strenge Inspektionen der iranischen Atomanlagen, beteuerte Brennan. „Ich bin ganz sicher angenehm überrascht, dass die Iraner so vielem zugestimmt haben.“ Dies betreffe auch die Verringerung der Zahl ihrer Zentrifugen und ihres radioaktiv angereicherten Materials. „Oh Boy, niemand hätte am Anfang je gedacht, dass sie das tun würden“, sagte der CIA-Chef. Ein solideres Abkommen habe nicht erzielt werden können.

Sollte die Aussöhnung der USA mit dem Iran tatsächlich gelingen, könnte das Auswirkungen auf andere Konflikte im Nahen Osten haben. Auch wenn es beide Seiten nicht öffentlich zugeben wollen, scheint es bereits jetzt eine Zusammenarbeit zwischen Washington und Teheran im Kampf gegen die Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) zu geben. Der Iran unterstützt die Regierung des Irak bei den Militäroperationen gegen den IS. Der Kommandant der al-Quds-Einheiten der iranischen Revolutionsgarden, Qasem Soleimani, soll für die Iraker die Offensive zur Rückeroberung der Stadt Tikrit geplant haben. Die USA flogen zugleich Luftangriffe für die Iraker.

Kerry warnt Teheran wegen Jemen

An einer anderen Front im Nahen Osten stehen die USA und der Iran aber klar auf zwei verschiedenen Seiten: Teheran hilft im Jemen den schiitischen Houthi-Rebellen. Washington unterstützt Saudiarabien und dessen Verbündete, die Luftangriffe auf die Houthis fliegt. Nun hat US-Außenminister Kerry den Iran davor gewarnt, die Houthis weiter mit Nachschub zu beliefern. Der Iran müsse begreifen, „dass die USA nicht zusehen werden, wie die Region destabilisiert wird oder wie Leute über internationale Grenzen hinweg in anderen Ländern offen Krieg führen“, sagte Kerry dem US-Fernsehsender PBS. „Jede Woche“ würden Flugzeuge aus dem Iran in den Jemen kommen. „Wir wissen das.“ (APA/Reuters/zum/w. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

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