USA: FBI gesteht schwere Fehler bei Haaranalysen ein

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Die Bundespolizei lässt zweifelhafte Verurteilungen der Jahre 1972 bis 2000 untersuchen. Das Ergebnis: Fast all diese Schuldsprüche, etwa auf Mord und Vergewaltigung, basierten auf falschen Haarvergleichen der Forensiker.

Washington. Das Haar am Tatort überführt den Mörder: Diese kriminalistische Ermittlungsmethode ist dank Film und Fernsehen vermutlich ebenso bekannt, wie sie wissenschaftlich falsifiziert ist. Schon vor drei Jahren enthüllte die „Washington Post“, dass falsche Haaranalysen der Bundespolizei FBI seit den 1970er-Jahren möglicherweise zu hunderten ungerechtfertigten Schuldsprüchen geführt haben könnten, vor allem bei Schwerverbrechen wie Mord, Totschlag und Vergewaltigung.

Das FBI begann nach Erscheinen dieses Artikels, ungefähr 2500 Fälle aus den Jahren 1972 bis 1999 zu untersuchen, in denen es von Justizbehörden des Bunds oder der Einzelstaaten um Haaranalysen gebeten worden war. 342 dieser Fallüberprüfungen sind mittlerweile abgeschlossen, in 268 von ihnen wurden Haaranalysen als Beweismittel gegen die Angeklagten verwendet, und das Ergebnis ist ernüchternd: In 257 der 268 Verfahren haben die FBI-Forensiker falsche Aussagen über die Ergebnisse ihrer Vergleiche von Haaren gemacht, die am Tatort gefunden worden sind, und jenen der Angeklagten. Diese Falschaussagen fielen zudem in 95 Prozent der Fälle zulasten der Angeklagten aus.

Fast immer gegen Angeklagten

Erst im Jahr 2000 hat das FBI begonnen, Haaranalysen mit Untersuchungen der in den Haaren befindlichen molekularen Erbmasse, der DNS, zu verknüpfen; das führt zu wesentlich genaueren Ergebnissen. Schon bald nach Einführung dieser DNS-Tests wuchsen im FBI selbst die Zweifel an der Korrektheit seiner konventionellen Haarvergleiche: 2002 berichtete das FBI, dass DNS-Tests in mehr als elf Prozent aller Fälle falsche Haargutachten entlarvt hätten.

Die Ergebnisse der Studie, bei der das FBI vom US-Verband der Strafrechtsverteidiger und der NGO Innocence Project unterstützt wird, bedeuten zwar nicht, dass jedes Verfahren von 1972 bis 1999, in dem Haaranalysen vorgelegt wurden, fehlerhaft und anfechtbar ist. In vielen Verfahren, in denen dies als Beweismittel vorgelegt wurde, war der Angeklagte geständig, oder es lagen andere Beweise vor. Die Untersuchung zeigt aber, dass in allen Fällen, in denen die Forensiker einen positiven Haarvergleich behauptet haben, begründeter Anlass zur Neuaufnahme vorliegt.

Besonders bedenklich ist der Umstand, dass in 32 der 257 problematischen Verfahren Todesurteile gefällt wurden. 14 Verurteilte wurden in der Zwischenzeit entweder hingerichtet oder sind in der Todeszelle gestorben. Auch hier ist allerdings nicht klar, ob sie einzig aufgrund falscher Haaranalysen verurteilt worden sind. Um das zu bestimmen, müssten die Verfahren neu aufgerollt werden.

Zweifel an Todesstrafe steigt

Diese neue Studie ist dazu geeignet, den wachsenden Zweifel am Sinn der Todesstrafe in der heutigen amerikanischen Gesellschaft zu nähren. Laut einer dieser Tage veröffentlichen Meinungsumfrage von Pew Research wird sie von so wenigen Amerikanern unterstützt wie seit vier Jahrzehnten nicht mehr: 56 Prozent der US-Bürger sind für die Todesstrafe, 36 Prozent dagegen. Zum Vergleich: Im Jahr 1995 waren 78 Prozent dafür und nur 18 Prozent dagegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

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