Ägypten: 20 Jahre Haft für Mohammed Mursi

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Mohammed Mursi, der 2013 gestürzte ägyptische Präsident, und weitere Funktionäre der Muslimbruderschaft wurden der "Folter von Demonstranten" schuldig gesprochen.

Kairo. Die Mordanklage war im letzten Moment fallen gelassen worden. Darauf wäre die Todesstrafe gestanden, doch das hat Ägyptens Justiz dem früheren ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi erspart – zumindest vorerst, denn gegen Mursi laufen auch noch einige weitere Verfahren. Am Dienstag wurde er nun zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Gericht in Kairo befand das führende Mitglied der islamistischen Muslimbruderschaft für schuldig, für die Entführung und Folter von Demonstranten während seiner Amtszeit im Dezember 2012 verantwortlich zu sein.

Neben Mursi erhielten zwölf weitere hohe Funktionäre der Muslimbruderschaft im selben Verfahren ebenfalls Haftstrafen von 20 Jahren. Unter ihnen sind der Generalsekretär der inzwischen verbotenen Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der Bruderschaft, Mohamed el-Beltagy, und der frühere Abgeordnete Essam el-Erian. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Anwälte der meisten Beschuldigten kündigten bereits Berufung an. Zwei weitere Angeklagte wurden zu zehnjährigen Haftstrafen verurteilt.

Mursi hatte sich während des gesamten Prozesses geweigert, von einem Anwalt vertreten zu werden, da er sich weiterhin als der legitime Präsident Ägyptens sieht und das Gericht nicht anerkennt.

Sturz durch das Militär

Nach dem Sturz des früheren Machthabers Hosni Mubarak im Februar 2011 hatten zunächst Ägyptens Streitkräfte und von ihnen kontrollierte Übergangsregierungen die Macht übernommen. Bei den ersten Parlamentswahlen nach Mubarak siegte aber die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der islamistischen Muslimbruderschaft. Bei der ersten weitgehend freien Präsidentenwahl im Jahr 2012 setzte sich mit Mursi ebenfalls der Kandidat der Muslimbrüder durch.

Schon bald wuchs in der Bevölkerung aber die Unzufriedenheit mit Mursi, der es nicht schaffte, die wirtschaftliche und soziale Lage zu verbessern. Säkulare Kräfte warfen der Muslimbruderschaft zudem vor, in Ägypten ein islamistisches System errichten zu wollen.

Erneut gingen zigtausende Demonstranten auf die Straße. Mursi weigerte sich, Neuwahlen auszurufen. Daraufhin wurde der Präsident im Juli 2013 vom ägyptischen Militär gestürzt. Die Streitkräfte verhafteten Mursi und zahlreiche weitere Funktionäre der Muslimbruderschaft. Proteste dagegen wurden blutig niedergeschlagen. Hunderte Anhänger der Muslimbruderschaft kamen dabei ums Leben.

Der damalige Militärchef, Abdel Fattah al-Sisi, ist mittlerweile Ägyptens neuer Präsident. Seine Führung geht massiv gegen die Muslimbruderschaft vor. Tausende Mitglieder und Anhänger wurden festgenommen und zahlreiche von ihnen zum Tode verurteilt. Die Muslimbruderschaft wurde als „terroristische Organisation“ verboten. Wer Kontakte zu ihr unterhält, kann dafür zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt werden – das gilt auch für ausländische Journalisten.

Gleichzeitig ist nach Mursis Sturz und dem Abdrängen der Bruderschaft in die Illegalität auch die gewaltbereite islamistische Szene in Ägypten wieder aktiver geworden. Vor allem der Norden des Sinai wurde zu einer Hochburg von Extremisten. Sie haben bei Anschlägen hunderte Soldaten und Polizisten getötet.

Nicht nur Anhänger der Islamisten werden unterdrückt. Mittlerweile geht Ägyptens Führung um al-Sisi auch gegen säkulare Kritiker massiv vor. Ehemalige Aktivisten, die 2011 auf dem Tahrir-Platz in Kairo gegen Machthaber Mubarak gekämpft hatten, wurden mittlerweile zu hohen Haftstrafen verurteilt. Mubarak hingegen wurde im Prozess gegen ihn wegen des blutigen Angriffs auf den Tahrir-Platz freigesprochen.

EU nimmt Urteil „zur Kenntnis“

Amr Darrag, ein früherer Minister Mursis, übte am Dienstag aus dem türkischen Exil herbe Kritik an der Verurteilung des islamistischen Ex-Präsidenten: „Der gesamte Prozess war eine Travestie der Justiz, die von der Regierung geschrieben und kontrolliert wurde und jeglicher Beweise entbehrt“, erklärte er in einer schriftlichen Stellungnahme. Die EU nahm die Verurteilung Mursis „zur Kenntnis“, wie eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten, Federica Mogherini, sagte. Die Sprecherin wies zugleich darauf hin, dass die EU von Ägypten die Einhaltung internationaler Standards bei den Rechten zur Verteidigung sowie ein faires Verfahren gefordert habe. (APA, Reuters, red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2015)

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