Irak: „Mosul kann keinen Aufstand gegen IS wagen“

IRAQ KARBALA SHIITE MILITIA
IRAQ KARBALA SHIITE MILITIA(c) APA/EPA/ALAA AL-SHEMAREE (ALAA AL-SHEMAREE)
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Khodeir al-Morshedi, Sprecher der Baath-Partei des gestürzten Diktators Saddam Hussein, bestreitet eine Zusammenarbeit mit den IS-Extremisten.

Die Presse: Wie sieht das Verhältnis zwischen der Baath-Partei und dem Islamischen Staat (IS) aus? Gibt es eine Kooperation im Kampf gegen Iraks Regierung?

Khodeir al-Morshedi: Wir haben keinerlei Kontakt zum Islamischen Staat. Der IS hat vier führende Baath-Mitglieder verschleppt und einige umgebracht. Baath ist eine säkulare Partei, und wir sind gegen alle Terrorgruppen, ganz gleich ob IS oder andere Milizen.

Wer hat derzeit die Kontrolle über die Stadt Mosul?

Der Islamische Staat.

Aber Sie haben mir vergangenes Jahr noch gesagt, dass eine Allianz von Gruppen unter Führung der Baath-Partei die irakische Regierungsarmee aus Mosul vertrieben habe. Und dass der IS nur eine Gruppe von vielen sei.

Ja, zuerst hatte der Widerstand gegen Bagdad die Stadt Mosul unter Kontrolle. Aber dann hat der IS viele Kämpfer aus dem Ausland herangeschafft, aus Syrien, der Türkei und vielen anderen Staaten – und sie hatten Hilfe anderer Länder. Sie haben viele Verbrechen begangen, unsere Leute entführt und getötet. Nach drei Monaten war der IS stärker als wir. Die Baathisten haben sich zurückgezogen. In der Stadt Tikrit und der Provinz Anbar ist dasselbe passiert.

Wie kann der IS nun aus Mosul vertrieben werden? Ist ein Aufstand der dortigen sunnitischen Stämme auch unter Beteiligung der Baath-Partei denkbar?

Die Stämme in den Gebieten, die vom IS kontrolliert werden, können derzeit keinen Aufstand wagen. Sie fürchten die Rache des IS. Zugleich haben sie Angst vor Iraks Regierung und den schiitischen Milizen. Sollte der IS aus Mosul vertrieben werden, würden die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen in die Stadt einrücken. Diese Milizen würden die dortige Bevölkerung brutaler behandeln, als es der IS tut. Das verhindert, dass die Stämme in Mosul Widerstand gegen den IS leisten.

Wie sieht das in der sunnitischen Stadt Ramadi aus?

Die Stammeskämpfer in Ramadi sind gespalten: Ein Teil steht auf der Seite der irakischen Regierung, ein kleinerer Teil kämpft mit dem IS, und ein Teil wartet ab.

Baath-Mitglieder und ehemalige Offiziere Saddam Husseins sollen die Militäroperationen des IS planen und für die Jihadisten eine Geheimpolizei aufbauen.

Ja, es gibt Personen, die Teil des irakischen Militärs und der Geheimpolizei waren und jetzt für den IS arbeiten. Ihre Zahl wird aber übertrieben. Wir haben zu diesen Personen keinen Kontakt.

Welche Rolle spielt dabei die Naqshabandi-Armee von Saddams ehemaligem Stellvertreter Izzat Ibrahim al-Douri?

Izzat Ibrahim al-Douri ist eine führende Kraft in unserer Baath-Partei, und die Naqshabandi-Armee ist eine militärische Einheit von Baath. Sie kämpft gegen Iraks Regierung, gegen die schiitischen Milizen – aber auch gegen den IS.

Sie soll doch eine Allianz mit dem IS eingegangen sein.

Nein. Sie kämpft gegen den IS.

Laut jüngsten Berichten wurde Izzat Ibrahim getötet.

Das stimmt nicht.

Es wurden Bilder seiner Leiche präsentiert.

Der Tote war nicht Izzat Ibrahim.

Wie kann der IS aus dem Irak vertrieben werden?

Dafür muss Bagdad einen Dialog mit Baath und den Stämmen führen. Wir haben schon vor zwei Jahren in Städten wie Mosul und Ramadi demonstriert und unsere Forderungen gestellt. Wir wollen eine Verfassungsänderung: Sunnitische Gruppen dürfen nicht weiter diskriminiert werden, das Verbot der Baath-Partei muss aufgehoben werden. Wir fordern die Freilassung der Gefangenen und eine Verbesserung der Lage der Iraker, die keinen Strom und kein Wasser haben. Die bewaffneten Schiitenmilizen müssen aufgelöst werden.

Aber wie kann es für die Baath-Partei eine Zukunft im Irak geben? Viele Iraker haben sie aus der Zeit der Saddam-Diktatur in sehr schlechter Erinnerung.

Wir wollen Teil einer demokratischen Entwicklung im Irak sein. Wir wollen nicht die damalige Zeit von Saddam Hussein zurückholen.

ZUR PERSON

Khodeir al-Morshediist Sprecher der Baath-Partei des 2003 gestürzten Diktators Saddam Hussein. Baath ist im Irak nach wie vor verboten und kämpft gegen die Regierung. [ Internet]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2015)

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