Donezk weist Hilfsorganisation aus

RUSSIA UKRAINE CRISIS
RUSSIA UKRAINE CRISIS(c) APA/EPA/ARKADY BUDNITSKY
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Die westliche Nichtregierungsorganisation International Rescue Committee wird von den Separatisten der Ostukraine der Spionage bezichtigt. Eine Warnung an andere NGOs?

Wollten die Donezker Behörden ein Exempel statuieren? Müssen westliche Hilfsorganisationen in der Ostukraine mit einer Repressionswelle rechnen? Der medienwirksam inszenierte Rauswurf von sieben Mitarbeitern einer Hilfsorganisationen aus den ostukrainischen Separatistengebieten beunruhigt in diesen Tagen westliche Helfer.

Am Mittwoch durchsuchten Sicherheitskräfte des Ministeriums für Staatssicherheit der „Donezker Volksrepublik“ das Büro der westlichen Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC). Lokalmedien filmten den Einsatz mit. Der Vorwurf an die NGO: Spionage. Im Fernsehen waren Bilder zu sehen, die Mitarbeiter mit dem Gesicht zur Wand sitzend zeigen.

In dem TV-Beitrag wurden angebliche „Beweise“ für die illegale Tätigkeit der NGO präsentiert: Geldbündel und Flipcharts mit Arbeitsplänen. Die Mitarbeiter wurden noch am selben Tag ausgewiesen, das Büro geschlossen und jede weitere Tätigkeit der NGO für die Zukunft unterbunden, wie die Behörden erklärten.

Mitbegründer Albert Einstein

Bisher waren aufgrund der angespannten Sicherheitslage nur wenige westliche Hilfsorganisationen in den von Separatisten kontrollierten Gebieten tätig. Der Rauswurf kommt zu einem Zeitpunkt, an dem viele internationale NGOs vor der Eröffnung von Büros in der Ostukraine stehen und die westliche Nothilfe für den Donbass anläuft.

Das IRC ist eine 1933 von Albert Einstein mitgegründete Organisation, die in über 40 Ländern tätig ist. Ihr Sitz ist in New York. Vorsitzender ist der frühere britische Außenminister David Miliband. Der Twitter-Account der Organisation informierte bis vor wenigen Tagen über Aktivitäten der NGO in der Ostukraine. Auf Fotos ist zu sehen, wie Hilfspakete verteilt werden und ein Zentrum für Frauen und Mädchen eingerichtet wird.

In NGO-Kreisen fasst man das Vorgehen der Behörden als Warnung auf. In einer Pressekonferenz bezeichnete die Sprecherin des Ministeriums, Maria Petrowa, die Hilfsorganisation als „amerikanische NGO“. Die Mitarbeiter seien auffällig oft in Frontgebieten tätig gewesen und hätten versucht, lokale Behördenvertreter anzuwerben; in Seminaren seien Teilnehmer nach ihrer Ansicht zu den lokalen Behörden ausgefragt worden.

Womöglich wurde der NGO zum Verhängnis, dass mehrere US-Bürger unter den Mitarbeitern in Donezk waren; womöglich wurde die Hilfsorganisation aufgrund ihrer Nähe zur britischen Regierung nicht als neutral wahrgenommen. Auch wenn die konkreten Umstände des Rauswurfs im Dunkeln liegen, illustriert der Vorfall die äußerst sensible Lage von Hilfsorganisationen in Krisengebieten. Um aktiv zu werden, benötigen NGOs die Arbeitserlaubnis und Akzeptanz aller Konfliktparteien. Es ist ein Graubereich, in dem jede Organisation für sich entscheidet, wie weit die Kooperation gehen soll. Nach außen hin ist man um größtmögliche Neutralität bemüht, politische Stellungnahmen werden vermieden, über Geschäftspraktiken wird nur ungern gesprochen.

Wie der Vorfall von IRC zeigt, können NGOs zwischen die Fronten geraten. Für jene Organisationen, die nun in der Ostukraine tätig werden wollen, ist der Vorfall unangenehm. Es ist schlecht für das Ansehen der Branche, wenn eine NGO auf diese Weise hinauskomplimentiert wird. Der solcherart in Szene gesetzte Vorfall scheint eine im Donbass weitverbreitete Meinung zu bestätigen: dass westliche NGOs allesamt „Spione“ seien.

US-Warnung vor Offensive

Unterdessen warnte Nato-Oberbefehlshaber Philip Breedlove bei einer Anhörung im US-Kongress vor einer neuen russischen Offensive in der Ostukraine. Russische Militärs nutzen die gegenwärtige Flaute in den Kämpfen, um sich neu zu positionieren und Geländegewinne zu sichern. Der US-General wörtlich: „Wir können uns nicht völlig sicher sein, was Russland als Nächstes tun wird, und wir können die Pläne Präsident Putins nicht voll durchschauen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2015)

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