Ukraine: "Die Reformen gehen zu langsam voran"

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Der frühere investigative Journalist und heutige Parlamentsabgeordnete Sergii Leschtschenko kritisiert den mangelnden Reformfortschritt in der Ukraine und schildert, wie er mittels Gesetze gegen die Oligarchen kämpft.

Die Presse: Nach den Parlamentswahlen im Oktober 2014 sind Sie als Abgeordneter der Präsidentenpartei Block Poroschenko ins Parlament eingezogen. Damals haben Sie gesagt, wenn es Ihnen in der Politik nicht gefällt, würden Sie sofort wieder aufhören. Nach einem halben Jahr sind Sie noch immer dabei. Ist also alles bestens?

Sergii Leschtschenko: Ich habe mir ein Jahr Zeit gegeben. Zu tun gibt es viel. Ich beschäftige mich derzeit aktiv damit, den Einfluss von Oligarchen in der Politik zu verkleinern. Ex-Präsident Viktor Janukowitsch ist nicht mehr im Amt, aber seine mächtigen Unterstützer sind nach wie vor da, Rinat Achmetow etwa. Ich habe hart dafür gekämpft, dass Ihor Kolomojskij, Oligarch und bis vor Kurzem Gouverneur des Gebiets Dnjepropetrowsk, seine politischen Ämter abgeben musste. Er hat seinen politischen Einfluss dafür missbraucht, um seine persönliche Macht zu vergrößern. Ich habe an dem Gesetzesprojekt gearbeitet, das Kolomojskijs Einfluss bei dem Staatsunternehmen Ukrneft beschränkte.

Präsident Petro Poroschenko hat Kolomojskij vor Kurzem entlassen. Aber der Einfluss anderer Oligarchen auf die Politik wurde noch nicht begrenzt.

Ja, das ist leider so. Ich tue, was ich kann. Aber ich alleine kann nicht gleichzeitig alles tun.

Derzeit widmet die ukrainische Politik dem Krieg viel Aufmerksamkeit. Über den Reformkurs wird weniger oft geredet.

Die Reformen gehen zu langsam voran. Ich bin nicht sehr zufrieden damit, wie das alles abgewickelt wird. Innerhalb des letzten Jahres hätte man in dieser Hinsicht viel mehr erledigen müssen. Der Krieg wird als Vorwand benutzt.

Bei Ihrem Wechsel ins Parlament haben Sie angekündigt, mit anderen neu gewählten Abgeordneten aus der Zivilgesellschaft über Fraktionsgrenzen hinweg kooperieren zu wollen. Klappt das?

Wir haben eine überfraktionelle Gruppe gegründet, die sich Eurooptimisten nennt und 30 Abgeordnete umfasst. Hier versuchen wir Reformen anzustoßen – etwa im Bereich Antikorruption und Transparenz bei der Parteienfinanzierung. Mit der Zeit werden wir die Grenzen zwischen alten und neuen Abgeordneten überwinden.

Welche Themen würden Sie bearbeiten, wenn Sie noch Journalist wären?

Ich würde mich ebenso mit Kolomojskij und Achmetow beschäftigen, jenen Clans, die die Politik in diesem Land so stark beeinflussen, sei es mittels ihrer Medien, ihrer Unternehmen und dem Energie-Sektor. Vom Benzinpreis bis hin zu Lebensmittelpreisen gibt es da viel zu untersuchen.


Termin: „Politischer Salon“, Donnerstag, 7. Mai, 19 Uhr, Bibliothek des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen. Sergii Leschtschenko im Gespräch mit „Presse“-Außenpolitik-Chef Christian Ultsch über die Reformfortschritte in der Ukraine.

ZUR PERSON

Sergii Leschteschenko arbeitete lange Jahre als investigativer Journalist bei der ukrainischen Internetzeitung „Ukrainskaja Prawda“, bevor er nach den Parlamentswahlen im Vorjahr in die Politik wechselte. [ Internet ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2015)

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