Netanjahus letztes Aufgebot

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Der Premier musste den Koalitionspartnern große Konzessionen einräumen – weil zuletzt auch Außenminister Lieberman absprang.

Jerusalem. Der Pakt zwischen Benjamin Netanjahu und Naftali Bennett, dem Chef der Siedlerpartei Jüdisches Heim, wurde noch vor Ende der mitternächtlichen Frist besiegelt, die Detailverhandlungen werden sich bis zur Angelobung der neuen Koalition in Jerusalem am Dienstag hinziehen – und herauskommen wird dabei eine Vergrößerung des Kabinetts um gleich sechs Ministerposten. Unter Federführung von Jair Lapid, dem scheidenden Finanzminister, war die Regierung auf 18 Ministerien zusammengeschrumpft. Netanjahu braucht indes die Ressortvermehrung, um seine Koalitionspartner – zwei ultraorthodoxe Parteien, den Sozialreformer Mosche Kahlon und den nationalreligiösen Bennett – zufriedenzustellen.

Vor allem Bennett pokerte bis zur buchstäblich letzten Minute. Ganze acht Mandate hatte die nationalreligiöse Siedlerpartei bei den Wahlen erzielt. Um das Jüdische Heim in die Regierung zu holen, musste Netanjahu ihm das Justiz-, das Erziehungs- und das Landwirtschaftsministerium anbieten. Im Likud, wo die Verteilung der Posten noch aussteht, herrscht schon Unmut über den hohen Preis, den die künftigen Partner dem Regierungschef abverlangt haben. Der mit Abstand stärksten Fraktion bleibt nur noch das Außenministerium als einziges prestigeträchtiges Amt.

Dass die kleinen Parteien so viel Macht bekommen, ist dem plötzlichen Ausscheiden von Avigdor Lieberman, Chef der weltlich-nationalen Fraktion Israel – Unser Haus, zu verdanken. Zwei Tage vor Ablauf der Frist für die Regierungsbildung zog sich Lieberman mit dem Argument aus den Verhandlungen zurück, dass die Koalition ihm „nicht nationalistisch genug“ sei.

(c) Die Presse

Fortsetzung des Siedlungsbaus

Lieberman forderte eine Fortsetzung des Siedlungsbaus, um den er jedoch kaum hätte fürchten müssen. Bereits am Donnerstag entschied Israel laut der Friedensbewegung Peace now, 900 neue Wohnungen in einer Ostjerusalemer Siedlung zu genehmigen. Die Fortsetzung des Wohnungsbaus in den besetzten Gebieten ist in der neuen Regierung Konsens. Keine der Koalitionsparteien strebt derzeit Friedensverhandlungen mit den Palästinensern an.

Wegen Liebermans überraschenden Ausstiegs war Netanjahu auf jeden einzelnen Abgeordneten angewiesen, um eine knappe parlamentarische Mehrheit von 61 der insgesamt 120 Sitze zu erreichen. Schon jetzt sind weitere Erpressungen im Stil des Jüdischen Heims absehbar – es sei denn, es gelingt dem Premier, im Lauf der kommenden Wochen doch noch andere Partner aus dem Mitte-links-Spektrum zu rekrutieren.

Eine große Koalition mit dem Zionistischen Lager lehnte dessen Parteichef, Jitzhak Herzog, ab. Er wirft Netanjahu einen „Ausverkauf“ der Regierungsjobs vor und hat ihm eine klare Absage erteilt. „Wenn er glaubt, er könne uns mit diesem oder jenem Posten locken, macht er einen schweren Fehler. Wir werden uns nicht zum fünften Rad machen lassen“, sagte Herzog.

Eine erste Hürde für die Partner der Koalition könnte die Annullierung der Justizreform werden, die eine strafrechtliche Verfolgung von ultraorthodoxen Wehrdienstverweigerern vorsieht. Netanjahu ging bei den Verhandlungen mit den beiden ultraorthodoxen Parteien, Shas und das Vereinigte Tora-Judentum, die mit sieben und sechs Sitzen in die Knesset einziehen, auf Abstand zu der von weiten Teilen der Bevölkerung dringend geforderten Reform, die eine gerechtere Verteilung der staatsbürgerlichen Pflichten bringen sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2015)

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