Britische Konservative am Weg zur "Absoluten"

Großbritanniens Premierminister David Cameron
Großbritanniens Premierminister David Cameron(c) REUTERS (PETER NICHOLLS)
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David Cameron geht als großer Sieger aus der Parlamentswahl hervor. Labour-Chef Miliband wird offenbar am Freitag zurücktreten. Ukip-Chef Farage schafft es nicht ins britische Parlament.

Die Konservativen von Premierminister David Cameron stehen vor einem klaren Wahlsieg bei der Parlamentswahl in Großbritannien. Nachdem bereits ein erster Exit Poll unmittelbar nach Schließen der Wahllokale den Tories mit 316 Sitzen eine Mehrheit voraussagte, wurde am frühen Freitag bei Eintreffen der Ergebnisse aus den 650 Wahlkreisen selbst eine absolute Mehrheit nicht mehr ausgeschlossen.

Der deutlich unterlegene Herausforderer Ed Miliband tritt nach Informationen der BBC als Vorsitzender der sozialdemokratischen Labour Party ab. Der Fernsehsender nannte keine Quellen. Miliband hat für den Mittag eine Erklärung angekündigt.

Der Parteichef der UK Independence Party (Ukip), Nigel Farage, hat es nicht ins britische Parlament geschafft. Der Vorsitzende der eurokritischen Partei verlor mit 32 Prozent der Stimmen bei der Unterhauswahl in seinem Wahlkreis South Thanet gegen den Kandidaten der Konservativen Partei, Craig Mackinlay, mit 38 Prozent.

Vor der Wahl hatte Farage angekündigt, vom Ukip-Parteivorsitz zurückzutreten, sollte er das Direktmandat nicht gewinnen. UKIP fordert eine Begrenzung der Einwanderung und einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union.

"Eine starke Nacht für Konservative"

Cameron sagte nach der Auszählung in seinem Wahlkreis in Oxfordshire: “Es gibt nur eine Meinungsumfrage, die zählt, und das ist der Wahltag. Das ist offensichtlich eine sehr starke Nacht für die Konservativen. Es ist zu früh zu sagen, welches Endergebnis wir haben werden. Aber wir haben nun die Chance, auf dem aufzubauen, was wir in den vergangenen fünf Jahren aufgebaut haben.”

Die Hoffnungen der Konservativen auf eine absolute Mehrheit wurde durch die jüngste Prognose der BBC weiter genährt: Demnach kommen die Tories auf 325 Sitze. Die “magische Zahl” liegt bei 323 Mandaten, da die nordirische Sinn Féin ihre fünf Sitze traditionell nicht einnimmt und der Speaker des Unterhauses auf sein Mandat verzichtet.

Schwere Niederlage für Labour Party

Die oppositionelle Labour Party unter Ed Miliband blieb hingegen unter den Erwartungen. Nach der jüngsten Prognose konnte sie nur 232 Sitze erwarten, 26 weniger als bei der Wahl 2010. In allen Umfragen vor der Wahl war Labour mit den Konservativen Kopf-an-Kopf gelegen. Miliband sagte nach der Auszählung in seinem Wahlkreis sichtlich gezeichnet: "Das war eine sehr enttäuschende und schwierige Nacht für uns." Die nächste Regierung habe eine "große Verantwortung", Großbritannien "zusammenzuhalten". So spricht kein künftiger Premierminister.

Worauf Miliband anspielte war die verheerende Niederlage seiner Partei in Schottland, wo Labour von der politischen Landkarte gefegt wurde. Die Partei verlor in ihrer traditionellen Hochburg im Norden des Vereinigten Königreichs nicht nur in Glasgow alle sieben Mandate, auch Parteigranden wie Jim Murphy und Douglas Alexander wurden abgewählt und der Sitz von Ex-Premier Gordon Brown gingen in einem politischen Erdbeben an die Scottish National Party (SNP).

"Der schottische Löwe hat gebrüllt"

Die Nationalisten könnten nach der jüngsten Prognose 56 der 59 schottischen Sitze im Unterhaus in Westminster gewinnen. Ex-Parteichef Alex Salmond, der für das Parlament in London sicher gewählt wurde, erklärte: “Der schottische Löwe hat gebrüllt und ein starker Wind weht durch das Land”. Es sei “unvorstellbar”, dass “diese einmalige Demonstration der Einigkeit in Schottland” im nächsten Parlament ignoriert werde.

Zudem profitierten die Konservativen von der völligen Implosion ihres bisherigen Koalitionspartners, der Liberaldemokraten. Während Parteichef Nick Clegg sein Mandat in Sheffield verteidigen konnte, wurde etwa Wirtschaftsminister Vince Cable in Südlondon abgewählt. Nach der neuen Prognose dürften die Liberalen von 59 auf 12 Sitze fallen. Parteichef Clegg sprach von einer “grausamen und schmerzlichen Nacht” und kündigte an: “Dieses Wahlergebnis wird tiefe Auswirkungen für unsere Land und unsere Partei haben”, und darüber wolle er zunächst mit seinen Parteikollegen beraten.

Aus dem ganzen Land mehrten sich bei Anbruch des Freitags die Zeichen, dass Labour mit Ausnahme der Hauptstadt London hinter den Erwartungen blieb. Von einer “sehr schwierigen Nacht”, sprach Schatten-Außenminister Alexander. Die Partei müsse nun “das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.” Ohne Schottland kann Labour keine Mehrheit in Großbritannien gewinnen.

"Zu Mittag ist Ed Geschichte"

Nicht unerwartet wurden daher bereits die erste Stimmen in der Partei laut, die den Kopf von Parteichef Miliband forderten: “Zu Mittag ist Ed Geschichte”, verlautete aus der Parteizentrale hinter vorgehaltener Hand. Die Parole der Parteistrategen, “Cameron hat die Mehrheit verloren”, wie etwa Labour-Vize Harriet Harman sagte, wurde im Laufe der Nacht nicht nur immer unglaubwürdiger. Sie zeugte auch von Realitätsverlust und ließ die Partei als schlechten Verlierer aussehen. Der Triumph von Spin über Inhalt ist einer der Gründe für das enttäuschende Ergebnis der Partei.

Auch wenn Cameron über eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gewinnen wollte, werden zwei andere Fragen seine zweite Amtszeit bestimmen: Die von ihm für Ende 2017 angekündigte (und in der Wahlnacht bestätigte) EU-Volksabstimmung könnte nun sogar vorgezogen werden. Und acht Monate, nachdem Schottland “Nein” zur Unabhängigkeit sagte, ist die Frage heute mehr denn je auf dem Tapet. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson sagte bereits in der Wahlnacht: “Wir brauchen eine neue föderale Lösung.”

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