Mexiko: Wähler versetzen Partei von Präsident Nieto einen Dämpfer

File picture of Mexico´s President Enrique Pena Nieto during an investment announcement from brewer Grupo Modelo in Merida in Yucatan state, at Los Pinos Presidential house in Mexico City
File picture of Mexico´s President Enrique Pena Nieto during an investment announcement from brewer Grupo Modelo in Merida in Yucatan state, at Los Pinos Presidential house in Mexico City(c) REUTERS (EDGARD GARRIDO)
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Die Koalition muss nach der Wahl um ihre Mehrheit zittern. Mit El Bronco wird erstmals ein Parteiloser Gouverneur.

Mexiko-Stadt. Es sah dramatisch aus, was die Mexikaner im TV gezeigt bekamen. Brennende Barrikaden, steinewerfende Demonstranten, Rauch und vermummte Gestalten. Zig Tote hatte es gegeben. Doch am Ende war das ein normaler Wahltag in Mexiko. 98 Prozent der Wahllokale funktionierten, das Land ging an die Urnen – und die Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) wurde bei den Parlamentswahlen wieder stärksten Kraft.

Die ideologisch flexible Gruppierung mit ihrer ausgeprägten Machtgier erzielte den Hochrechnungen zufolge zwischen 28 und 30 Prozent der Stimmen, was in dem 500-Sitze-Abgeordnetenhaus etwa 190 bis 200 Mandaten entspricht. Bislang hatte die PRI 207 Sitze. Zunächst war unklar, ob ihre kleinen Koalitionspartner die restlichen Mandate für eine Regierungsmehrheit zusammenbekommen. Die Grünen melden leichte Zugewinne. Die Mehrheit (251 Sitze) hing bisher an nur einem Mandat. In offiziellen Hochrechnungen vom Montag reichte die Anzahl möglicher Sitze für die Regierungskoalition von 246 bis 263. Womöglich wird sich die PRI unter Klein- und Splitterparteien neue Freunde zusammenkaufen müssen. Loyalität ist in Lateinamerika zumeist allein eine Frage des Preises.

Debakel für Linkspartei

Sicher ist: Der größte Verlierer des Wahltags war die von internen Spannungen zerrissene linke Partei der demokratischen Revolution, die von 18,4 auf etwa elf Prozent der Stimmen fiel. Der ehemalige PRD-Führer Andres Manuel López Obrador trat nach seinem Parteiaustritt mit einer eigenen Liste an und kam auf etwa neun Prozent. Die Wahlbehörde des 100-Millionen-Einwohner-Landes hat endgültige Resultate erst für Mittwoch angekündigt. Am Wahlabend trat Präsident Enrique Peña Nieto vor die Kameras und versicherte: „Durch ihre Teilnahme an der Wahl haben die Bürger ihre Zustimmung zu den Institutionen ausgedrückt. Mit ihrer Stimme gaben unsere Bürger den Behörden den Auftrag, Gewalt und Intoleranz zurückzuschlagen.“

Ehe der Mandatar, dessen Haarpracht und Habitus an Galane der Telenovelas gemahnen, auf den Mattscheiben auftauchte, hatte man dort Bilder aus Mexikos armem Süden gesehen. Man sah Soldaten und Bundespolizisten aufmarschieren. Und vernahm, dass trotzdem Wahllokale angegriffen, Urnen gestohlen und Stimmzettel verbrannt wurden. Die Polizei nahm im Staat Oaxaca 79 Menschen fest. Die Mehrzahl sind offenbar Lehrer, deren Gewerkschaften seit 2006 in einem Dauerclinch mit den Regierungen liegen. Diesmal waren sie über Pläne erzürnt, die Kenntnisse des Lehrpersonals regelmäßig zu überprüfen. Die Regierung sieht darin einen Schlüssel zur Verbesserung der Bildungssituation, die vor allem in ländlichen Gebieten stark zu wünschen übrig lässt. Die Gewerkschaften halten dagegen, dass die Regierung erst einmal menschenwürdige Gehälter zahlen soll, die Entlohnung reicht kaum für ein Existenzminimum.

Außerdem verlangen sie Aufklärung über die im Herbst verschleppten 43 Lehramtsschüler. Mexikos Behörden konnten bis heute das Verbrechen nicht aufklären. „Wir haben erfahren müssen, dass die Politiker alle gleich sind“, sagte der Gewerkschaftschaftsführer Eligio Gómez auf der Plaza von Oaxaca am Abend vor den Wahlen. „Wir gehen nicht an die Urnen, wir lassen uns nicht mehr verarschen!“

„Allergisch gegen Korruption!“

Im Staat Nuevo León machten die Bürger ihrem Frust an der Wahlurne Luft. Bei den zeitgleich stattfindenden Regionalwahlen kürten sie erstmals einen Gouverneur, der aus keiner der großen Parteien stammt. In dem nördlichen Staat regiert künftig der Agraringenieur Jaime Rodríguez, den ganz Mexiko El Bronco (den Wilden) nennt. Dessen im Wahlkampf vielfach zitierter Leitspruch war: „Ich bin allergisch gegen Korruption!“ Es ist abzuwarten, wie das Immunsystem des Bronco reagiert, wenn er den Schlüssel zur Staatskasse bekommt. Für übertriebene Hoffnungen gab Mexikos politische Klasse noch selten Anlass.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2015)

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