Putin in Italien: Besuch beim europäischen Freund

(c) APA/EPA/TIBERIO BARCHIELLI / CHI (TIBERIO BARCHIELLI / CHIGI PALAC)
  • Drucken

Herzlich wurde der Kreml-Chef von Premier Renzi empfangen: Rom macht kein Geheimnis daraus, dass es eine "weichere" EU-Russland-Politik wünscht - auch aus Eigeninteresse.

Zu Ehren des wichtigen Besuchs aus Moskau hatte der sonst eher leger gekleidete Matteo Renzi am Mittwoch sogar den dunklen Anzug und die verhasste Krawatte aus dem Kleiderschrank geholt. Eine Stunde lang musste Italiens Premier aber dann noch in der brütenden Mailänder Hitze warten, bis kurz vor Mittag der verspätete Wladimir Putin auf dem Expo-Gelände in der norditalienischen Finanzmetropole erschien – offiziell um am Russian National Day der Weltausstellung teilzunehmen.

Doch bei der kurzen Italien-Visite nur wenige Tage nach dem G7-Gipfel, an dem Russland als ehemaliges 8. Mitglied wegen der Ukraine-Krise nicht hatte teilnehmen dürfen, ging es um weit mehr. Italiens sozialdemokratischer Premier, der am Wochenende noch die G7-Kritik an den Kreml mitgetragen hatte, schlug am Mittwoch ganz andere Töne an: „Seit 500 Jahren haben unsere beiden Länder enge Beziehungen, seit jeher kooperieren wir auf internationaler Ebene“, schwärmte Renzi, nachdem er Putin durch das akribisch abgeriegelte Expo-Gebäude zum Russland-Pavilion geführt hatte. Er sprach zwar von „divergierenden Positionen bei einigen Themen“ – doch man sei sich einig, dass es keine Alternative zum Frieden in der Ukraine gebe. Das gefiel Putin gut, der sich auch für „Frieden“ aussprach. Dabei konnte er sich aber nicht verkneifen, die G7 abfällig als „Interessenklub“ abzutun. Italien nannte er dafür wohlwollend einen „ganz wichtigen Partner Russlands in Europa“.

Verhasste EU-Sanktionen

Diese Botschaft war vor allem an die eigenen Landsleute gerichtet. In Russland war vor der Italien-Kurzvisite in Medien großspurig berichtet worden, dass „zahlreiche EU-Länder das Ende der EU-Sanktionen“ fordern. Allein die Tatsache, dass Putin von einem EU- und G7-Land in dieser heiklen Zeit so warmherzig empfangen werde, sei ein Zeichen dafür, wie sehr die EU-Front bröckelt, hieß es da. Ende Juni müssen die EU-Regierungen über die Verlängerung der Strafmaßnahmen gegen Russland bis Jahresende entscheiden.

Offiziell hält Renzis Regierung freilich an der EU-Linie fest, dass eine Aufhebung der Sanktionen nur nach Umsetzung des Minsker Abkommens für einen Waffenstillstand in der Ukraine möglich sei. Der im Februar beschlossene Friedensplan wird allerdings jetzt schon nicht eingehalten: So soll Russland unter anderem die ostukrainischen Separatisten weiterhin unterstützten und ausrüsten – was Moskau vehement dementiert.

Italien jedenfalls signalisiert ziemlich deutlich, dass es eine nachsichtigere Russland-Politik vorzöge. So plauderte Renzi am Mittwoch auch über Fußball und freute sich über eine WM 2018 in Russland, wo die „Azzurri große Überraschungen parat haben“. Ein kleiner Seitenhieb gegen all jene, die bereits wegen der Ukraine-Krise fordern, die WM in Russland zu boykottieren. Gerüchten zufolge macht sich Rom hinter den Kulissen in Brüssel für seine russischen Freunde stark und fordert eine zumindest symbolische Lockerung der Sanktionen – etwa durch die Streichung einiger Personen aus der schwarzen Liste der EU. Italien steht mit seiner weichen Linie nicht allein da: EU-Länder wie Griechenland, Spanien, Ungarn, Slowakei, Zypern und zum Teil auch Österreich haben immer wieder ihre Sanktionsmüdigkeit ausgedrückt.

Essen, Mode und Öldeals

Hinter dem römischen Kuschelkurs steckt jedenfalls beinharter Pragmatismus: Italien ist – nach Deutschland – der wichtigste Handelspartner Russlands in der EU. Die Sanktionen haben das italo-russische Business schwer getroffen, man spricht von einem 17-prozentigen Rückgang im Handel, von mehr als fünf Milliarden Euro Verlusten. Besonders gelitten haben die Lebensmittel- und Modebranche sowie der Hightech-Bereich.

Vor allem aber schweißt die beiden Länder das Öl und Gas zusammen: Italien bezieht 40 Prozent seines Gases aus Russland. Der staatliche Ölkonzern ENI ist stark auf dem russischen Energiemarkt vertreten. Es war kein Zufall, dass Renzi in Mailand von hochrangigen ENI-Chefs begleitet wurde.

Putin lässt Papst über eine Stunde warten

Am Nachmittag reiste Putin mit seinen 70 Journalisten dann nach Rom weiter, wo ihn weitere medienwirksame Empfänge erwarteten. Erst ein Treffen mit Italiens Staatschef Sergio Mattarella und dann eine Privataudienz beim Papst. Eine Stunde und 20 Minuten hielt sich Putin im Vatikan auf, nachdem er mit einer Stunde Verspätung eingetroffen war. Schon bei seinem letzten Besuch bei Franziskus im November 2013 hatte Putin den Heiligen Vater 50 Minuten warten lassen.

Die Beiden sprachen dann unter anderem über den Konflikt in Syrien, in der Ukraine und die Situation christlicher Minderheiten. Der Papst forderte den russischen Präsidenten auf, sich um die "akute humanitäre Notstandslage" in der Ukraine zu bemühen, berichtete die ukrainische Regierung. Man müsse Menschenrechtsorganisationen den Zugang zur Region sichern. Außerdem müssten alle Seiten für eine Entschärfung der Lage in der Region arbeiten, so der vatikanische Pressesprecher Pater Federico Lombardi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.