Mazedonien: Gratis Bahntickets für Flüchtlinge

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Die Regierung in Skopje erleichtert Immigranten die Durchreise, damit sie innerhalb von 72 Stunden das Land verlassen. Serbien befürchtet einen Massenansturm.

Belgrad/Skopje. Prügelnde Polizisten, brutale Straßenräuber, geldgierige Schlepper, überfüllte Auffanglager: Die Reise durch Mazedonien galt bisher für aus Griechenland kommende Flüchtlinge als einer der schlimmsten Abschnitte der Balkan-Route. Staatliche Hilfsleistungen waren für illegale Immigranten im bitterarmen Balkan-Staat kaum zu erwarten. Dies hat sich geändert: Mit der Änderung des Asylgesetzes soll Migranten zumindest ermöglicht werden, das Land schnell zu verlassen.

Aus Mangel an Mitteln hatten die meisten Flüchtling Mazedonien bisher zu Fuß oder mit einem überteuert erworbenen Fahrrad zu durchqueren versucht. Doch vor allem die qualvollen Fußmärsche auf den Gleisen der Bahnlinie nach Serbien waren nicht ohne Risiko. Mehrmals wurden Immigranten in den engen Bahnböschungen der kurvenreichen Strecke in den letzten Monaten vom Schnellzug aus Thessaloniki tödlich erfasst: Zuletzt kamen im April vierzehn Flüchtlinge aus Somalia und Afghanistan nahe der Stadt Veles auf den Bahnschwellen ums Leben.

Flüchtlingszahl verdreifacht

Die Zahl der illegalen Immigranten hat sich nach Schätzungen der mazedonischen Behörden heuer verdreifacht. Die Opposition hatte zuletzt die Regierung mehrfach kritisiert, das Land mit dem eskalierenden Flüchtlingsproblem auf dem internationalen Parkett zu kompromittieren. Besorgt hatte erst kürzlich die Islamische Gemeinschaft in Mazedonien vom Staat mehr Auffanglager für die Flüchtlinge eingefordert, weil die zu Notunterkünften umfunktionierten Moscheen von den Gläubigen kaum mehr zum Gebet zu nutzen sein.

Nachdem die Polizei zuletzt mehr als 2000 aufgefasste Migranten pro Tag vermeldete, hat Skopje die Reißleine gezogen – und versucht sich in einer radikalen Kehrtwende seiner Einwanderungs- und Asylpolitik. Während nach Bulgarien sich nun auch Ungarn mit einem neuen Grenzzaun die Flüchtlinge vom Hals halten will, setzt Mazedonien auf deren beschleunigten Transit: Das neue, am vergangenen Donnerstag vom Parlament verabschiedete, Asylgesetz erlaubt gemeldeten Flüchtlingen die kostenlose Nutzung von Bussen und Eisenbahnen. Bisher hatte die Polizei Immigranten, die ohne Fahrkarten Busse und Züge enterten, ohne Federlesens wieder auf die Straße gesetzt. Laut der Vorlage muss jeder Neuankömmling nach seiner Registrierung bei der Polizei innerhalb von 72 Stunden einen offiziellen Asylantrag stellen – oder das Land verlassen haben.

Während mazedonische Hilfsorganisationen die Gesetzesänderung begrüßen, zeigt sich Serbien über den verstärkten Druck auf seine Südgrenze besorgt. Nach der Ankündigung Ungarns, einen Zaun an der EU-Außengrenze zu Serbien zu errichten, wird in Belgrad ohnehin befürchtet, dass eine vermehrte Anzahl von aus dem Schengenreich Abgeschobenen im Norden des Landes stranden könnte.

Nach der Änderung des Asylgesetzes im Nachbarland müsse Serbien „realistisch“ mit einer größeren Zuwanderung von Flüchtlingen aus Mazedonien rechnen, sagt Rados Djurovic vom Belgrader Zentrum für Asylsuchende. Erschwerend komme hinzu, dass Serbiens Rücknahme-Abkommen mit Mazedonien kaum funktioniere. Athen und Skopje pflegten wiederum „sehr schlechte Beziehungen“, die die Abschiebung von aus Griechenland eingereisten Illegalen erschwere. Mazedonien habe immer ein wenig die Haltung gehabt, Immigranten möglichst schnell durch das Land ziehen zu lassen: „Aber das trifft im Grunde auf fast alle Staaten der Region zu – einschließlich Griechenland.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2015)

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