Vor dem Hintergrund eines Nato-Manövers erhöhen sich die Spannungen. Tiflis meldet einen Putsch-Versuch. Russland, das eine Einladung zur Beobachtung ausgeschlagen hat, sieht die Militärübung als „offene Provokation“.
MOSKAU. Genau neun Monate nach dem Fünftagekrieg zwischen Russland und Georgien im August 2008 ist die Atmosphäre zwischen den beiden Nachbarn wieder zum Zerreißen gespannt. Laut des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili hat Russland an der Vorbereitung eines Militärputsches in seinem Land mitgewirkt. Das US-Verteidigungsministerium hingegen sprach von einem „ziemlich isolierten Zwischenfall“.
Nach georgischer Version hat die am Dienstag vereitelte Rebellion auf dem Panzerstützpunkt Muchrowani nahe der Hauptstadt Tiflis das Ziel gehabt, Saakaschwili und seine Minister zu ermorden. Russland habe den Putsch finanziert und 5000 Soldaten zur Einnahme von Tiflis in Bereitschaft gehabt: „Wir haben die Information, dass Russland die Situation in Georgien weiter verschärfen will“, behauptete Saakaschwili.
Als „Schwachsinn und Agonie seines Regimes“ hingegen bezeichnete ein Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes gegenüber der Agentur Itar-Tass die Vorwürfe. Eine von der Agentur Interfax zitierte Quelle aus dem Kreml riet Saakaschwili überhaupt, „den Arzt“ aufzusuchen. Der Vorsitzende des russischen Parlamentsausschusses für GUS-Fragen, Alexej Ostrovski, hielt fest, Saakaschwili würde einfach zusehends die Unterstützung seiner Militärs und Geheimdienste wegbrechen.
Das befürchtet man offenbar auch in Tiflis selbst. Das Innenministerium verkündete die Verhaftung früherer Spitzenbeamten sowie hoher Offiziere aus dem Verteidigungsministerium. Als Organisator des Putschversuchs wurde der Exchef der Spezialeinsatztruppe Delta, Gija Gvaladze, ausgemacht und festgenommen.
Ähnlich wie die russische Seite reagierte übrigens die georgische Opposition. Sie spricht im Zusammenhang mit dem kolportierten Putschversuch von einem „Spektakel“ des Staatschefs.
Die aktuelle Zuspitzung findet vor dem Hintergrund der am Mittwoch beginnenden Nato-Manöver mit 1900 Soldaten in Georgien statt. Russland, das eine Einladung zur Beobachtung ausgeschlagen hat, sieht die Militärübung als „offene Provokation“.
Nato bedauert Absage
Gerade die Nato-Beitrittsambitionen Georgiens – und der Ukraine – waren zuletzt Russlands Hauptstreitpunkte mit der westlichen Allianz. Nach einer kurzzeitigen Entspannung im Zuge des Amtsantritts von US-Präsident Barack Obama dominiert aktuell wieder die Konfrontation.
Vor einer Woche sind zwei angebliche russische Spione aus der Nato-Zentrale in Brüssel ausgewiesen worden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat inzwischen seine Teilnahme an einer für den 19. Mai in Brüssel geplanten Sitzung des Nato-Russland-Rates abgesagt – als Reaktion auf die Nato-Manöver. Man bedauere die Entscheidung, „denn das Ministertreffen wäre eine gute Gelegenheit gewesen, Fragen von beiderseitigem Interesse zu erörtern“, sagte ein Nato-Sprecher.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2009)