Pakistan sorgt für Panik in Washington

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari.
Pakistans Präsident Asif Ali Zardari.(c) AP
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Die Taliban-Offensive hat die US-Regierung in Alarmstimmung versetzt. Präsident Barack Obama hat ein Krisentreffen mit den Präsidenten Pakistans und Afghanistans einberufen.

WASHINGTON. Zu Hause, nur 100 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Islamabad, dröhnt das Gefechtsfeuer aus den Bergen. Und in Washington empfängt Pakistans Präsident Asif Ali Zardari das rhetorische Kreuzfeuer der US-Militärs und Diplomaten. Während die pakistanische Armee im Swat-Tal in die Schlacht gegen die Taliban zieht und die Bewohner zur Flucht auffordert, gerät Zadari in den USA immer stärker unter Druck. Kritik und düstere Analysen begleiten seinen US-Besuch.

Präsident Barack Obama hat Zardari und den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, die Staatschefs der derzeit gefährlichsten Region der Welt, zu einem Krisentreffen in die USA bestellt, um sie auf seine Strategie einzuschwören – und wohl auch, um ihnen den Kopf zu waschen. „AfPak“, wie das Gebiet im Mittleren Osten im Militärjargon heißt, hat für ihn höchste Priorität.

„AfPak“ oder besser „PakAf“?

Obamas Ansatz geht davon aus, dass die Probleme in Afghanistan und Pakistan untrennbar miteinander verbunden sind. Die Taliban sind schließlich in pakistanischen Koranschulen groß geworden, und die Bergwelt der afghanisch-pakistanischen Grenzregion dient den Extremisten als exzellenter Unterschlupf.

Mittlerweile müsste die Chiffre aber „PakAf“ lauten, wie Daniel Markey vom „Council on Foreign Relations“, der führenden US-Denkfabrik Außenpolitik, anmerkte. Die Gefahr der Talibanisierung Pakistans hat die politisch-militärische Klasse in den USA aufgerüttelt. Außenministerin Hillary Clinton sprach davon, dass Pakistans Regierung das Land zunehmend den Taliban überlasse und hilflos auf deren Offensive reagiere.

Anlass der scharfen Worte, die in Pakistan prompt Unmut hervorriefen, war die Einführung der Scharia – des islamischen Rechts – im Swat-Tal und die mangelnde Gegenwehr der Armee gegen den Vormarsch der Taliban. Das Bedrohungsszenario hat sich gewandelt. Stand vor einigen Monaten noch Afghanistan im Zentrum der US-Außenpolitik, so ist jetzt Pakistan in den Brennpunkt gerückt.

Zum Amtsantritt Obamas galt Karsai der neuen Regierung in Washington beinahe als „persona non grata“. Militärs und Diplomaten kreideten ihm die blühende Korruption an, die sie in Verbindung mit einem seiner Brüder brachten. Kurz vor seiner Angelobung hat Vizepräsident Joe Biden für einen Eklat gesorgt, als er in Kabul kurzerhand ein Mittagessen mit Karsai abbrach.

Zardari am Pranger

Inzwischen hat sich die Kritik an Karsai gelegt. Washington hat eingesehen, dass es in Afghanistan momentan keine Alternative zu ihm gibt, ohne das Land nicht noch weiter zu destabilisieren. Karsais Wiederwahl im Spätsommer scheint ungefährdet, nachdem ein Konkurrent soeben seine Kandidatur zurückgezogen hat.

Stattdessen steht jetzt sein pakistanischer Amtskollege am Pranger. Obama bezeichnete die Regierung Zardari unlängst sehr diplomatisch als „sehr zerbrechlich“. Andere in Washington urteilen härter: Sie beschreiben den Staatschef als schwach und von Günstlingen umgeben, seine Regierung stehe vor dem Kollaps. Ein Porträt im Magazin der „New York Times“ hat diesem Bild weitere negative Nuancen hinzugefügt.

Die US-Regierung sucht deshalb verstärkt Kontakt zu Zardaris Rivalen, Oppositionsführer Nawaz Sharif. So wie Zardari, während der Amtszeit seiner Frau Benazir Bhutto als „Mister Zehn Prozent“ bekannt, gilt auch der zweifache Regierungschef und Bhutto-Gegner Sharif nicht als Wunschpartner Washingtons. Doch in Pakistan genießt er große Popularität, zudem verfügt er über einen guten Draht zu den Islamisten. Die USA drängen Zardari nun zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit Sharif.

In Washington ist die Beunruhigung über Pakistan so groß, dass der Nationale Sicherheitsrat am Wochenende zu einer Krisensitzung zusammengetreten ist. Sicherheitsberater James Jones beurteilte die Sicherheitslage in Pakistan als „sehr, sehr ernst“. Sollten sich die Taliban mit sunnitischen Extremisten im Punjab verbünden, würde sich die Gefahr potenzieren. Der gerade von einer Pakistan-Reise zurückgekehrte Generalstabchef Mike Mullen versuchte die schlimmsten Befürchtungen zu zerstreuen. Das pakistanische Atomarsenal, das über das ganze Land verstreut ist, sei in den Händen der Armee sicher.

Milliarden für Anti-Terror-Kampf

Das pakistanische Militär ist ein konstanter Faktor, aber auch nicht unumstritten. Nicht nur haben Teile des Geheimdienstes ISI die Taliban unterstützt. Die USA kritisieren die Armee vor allem auch für den Umstand, dass sie Soldaten nicht von der indischen Grenze abzieht, um sie im Kampf gegen die Extremisten einzusetzen.

Um diesen Kampf zu finanzieren, stellen die USA nun wieder hunderte Millionen Dollar zur Verfügung – neben sieben Mrd. Dollar an ziviler Hilfe. Die Ausbildung der pakistanischen Soldaten für den Anti-Terror-Kampf erfolgt jedoch nicht in Pakistan selbst, sondern auf US-Militärbasen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2009)

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