Hamas: Zwei Israelis im Gazastreifen verschollen

(c) REUTERS (SUHAIB SALEM)
  • Drucken

Ein Israeli äthiopischer Herkunft sowie ein israelischer Araber befinden sich offenbar schon seit Monaten im Gazastreifen in Gewalt palästinensischer Extremisten. Eine Nachrichtensperre verhinderte zunächst jede Berichterstattung.

Jerusalem/Gaza. Es galt höchste Geheimhaltungsstufe. Wie erst am Donnerstag bekannt wurde, sind bereits seit Monaten zwei israelische Staatsbürger im Gazastreifen verschwunden. Sie werden vermutlich von der Hamas gefangen gehalten. Bei einem der Männer handelt es sich um den 28-jährigen Israeli äthiopischer Herkunft, Avraham Mengistu. Die Identität des zweiten Mannes wird noch unter Verschluss gehalten. Ein Gericht in Aschkelon, der Heimatstadt Mengistus, hatte eine Nachrichtensperre über den Fall verhängt. Nun wurde sie aufgehoben, nachdem die israelische Zeitung „Haaretz“ dagegen geklagt hatte.

Israels Verteidigungsministerium hat verkündet, es verfüge über „glaubwürdige Geheimdienstinformationen“, dass Mengistu „gegen seinen Willen von der Hamas in Gaza festgehalten wird“. Demnach habe Mengistu am 8. September 2014 die Grenze nach Gaza überquert, aus unbekannten Gründen. Berichten zufolge war er schon zuvor mehrmals verschwunden; möglicherweise leide er unter psychischen Problemen. Der US-Blogger Richard Silverstein hat schon im Oktober 2014 geschrieben, dass ein Israeli äthiopischer Herkunft in Gaza festsitze, der „angeblich psychisch krank“ sei. Weil Silverstein seinen Blog von den USA aus betreibt, fällt er nicht unter die israelische Nachrichtensperre.

Hamas twittert: „Rassistisches Israel“

Von dem zweiten Verschwundenen ist bisher wenig bekannt. Das israelische Verteidigungsministerium hat lediglich bestätigt, dass ein israelischer Araber in Gaza festgehalten werde. Israels Premierminister, Netanjahu, hat verkündet, Israel „hält die Hamas verantwortlich“ für das Wohlergehen der beiden Verschwundenen. Die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, hat die Gefangennahmen nicht bestätigt. Ein Sprecher sagte laut der Nachrichtenagentur AP lediglich: „Wir haben keine Informationen darüber. Selbst falls es wahr ist, haben wir keine Anweisungen, darüber zu sprechen.“

Im Juni 2006 hatten Hamas-Kämpfer den israelischen Soldaten Gilad Shalit entführt. Während der fünf Jahre, die Shalit in Gefangenschaft verbrachte, organisierte seine Familie mediale Kampagnen und baute damit öffentlich Druck auf die israelische Regierung auf, sich um seine Freilassung zu bemühen. Mengistus Familie dagegen wurde von der Nachrichtensperre zum Stillschweigen verdammt. Wegen dieser Ungleichbehandlung macht einer der Brüder des Verschwundenen der Regierung nun Vorwürfe. „Das ist mehr als Rassismus – ich nenne es Anti-Blackism“, sagte Yalo Mengistu der „Haaretz“. Zudem warf er der Regierung vor, sich nicht genügend um die Freilassung seines Bruders zu bemühen. „Ich bin mir zu einer Million Prozent sicher: Wäre er weiß, dann wären wir nicht in diese Situation geraten.“

Die Hamas griff den Vorwurf auf und veröffentlichte auf ihrem englischsprachigen Twitteraccount folgenden Tweet: „Anscheinend lautet das wahre israelische Motto: Lass keinen aschkenasischen Mann zurück #RassistischesIsrael“.

Am Nachmittag gaben Verwandte Mengistus eine Pressekonferenz in Aschkelon. Dabei forderten sie die internationale Gemeinschaft auf, sich für die Befreiung des Gefangenen einzusetzen, und appellierten an Hamas, ihn sofort freizulassen.

Im Austausch für die Freilassung Gilad Shalits im Jahr 2011 hatte die israelische Regierung 1027 größtenteils palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen befreit. Richard Silverstein spekulierte in seinem Blog, dass die israelische Regierung den Fall Mengistu so lang unter Verschluss gehalten hatte, um zu vermeiden, dass öffentliche Solidaritätskampagnen den Preis für die Freilassung Mengistus in die Höhe trieben.

Kein Interesse an Eskalation

Seit dem Gazakrieg im vergangenen Sommer herrscht weitgehend Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel. Zwar wurden vereinzelt Raketen aus Gaza nach Israel abgefeuert; doch viele Analysten vermuten, dass sie von militanten Organisationen abgeschossen wurden, die in Konkurrenz zur Hamas stehen. Hamas, so lautet die gängige Annahme, hat derzeit kein Interesse an einer Eskalation, weil sie sich noch von der vergangenen erholen muss. Derweil schränkt die israelische Blockade um den Küstenstreifen den Verkehr von Waren und Gütern stark ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Eine Komponente des israelischen Raketenabwehr-Systems "Iron Dome" vor der südisraelischen Stadt Ashkelon.
Außenpolitik

Israel vermutet zwei Staatsbürger als Geiseln in Gaza

Ein Israeli habe die Grenze vor einem Jahr freiwillig überquert. Israel glaubt, dass er gegen seinen Willen im Gazastreifen festgehalten wird.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.