Bürgerrechte: China sperrt kritische Anwälte weg

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Chinas Sicherheitsbehörden verhafteten in nur wenigen Stunden Dutzende Anwälte und Menschenrechtler. Der Vorwurf: „Störung der öffentlichen Ordnung“.

Peking. Mehr als neun Monate hatte die Journalistin Zhang Miao, Mitarbeiterin der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“, in Untersuchungshaft verbringen müssen. Sie war im Oktober in Peking wegen „Unruhestiftung“ festgenommen worden – auf dem Weg zu einer Dichterlesung zur Unterstützung der prodemokratischen Proteste in Hongkong.

Am Donnerstag kam Zhang frei, die deutsche Bundesregierung hatte sich monatelang für die Reporterin bei den chinesischen Behörden eingesetzt. Doch nun sitzt ihr Anwalt in Haft. Und mit ihm viele weitere seiner Kollegen.

Chinesische Sicherheitsbehörden haben zum Ende der Woche binnen 48 Stunden mindestens 50 Anwälte, Mitarbeiter von Kanzleien und Menschenrechtsaktivisten festgenommen. Das chinesische Polizeiministerium wirft ihnen vor, eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet zu haben. Die Anwälte hätten „ernsthaft die öffentliche Ordnung gestört“, berichtete am Sonntag die chinesische Staatszeitung „Global Times“.

Amnesty International berichtet von Razzien in Peking, Shanghai und Guangzhou. Die Menschenrechtsorganisation geht davon aus, dass ein solches landesweites Vorgehen nur von der Zentralregierung angeordnet worden sein kann. Es sei der größte Schlag gegen Bürgerrechtsanwälte seit dem Amtsantritt von Chinas Staatspräsident Xi Jinping vor zwei Jahren, sagte Amnesty-China-Experte William Nee. Mehr als 20 von ihnen seien auch am Sonntag noch in Polizeigewahrsam gewesen, einige von ihnen sogar komplett verschwunden. Amnesty befürchtet, sie könnten misshandelt oder gar gefoltert werden. Deshalb müsse ihr rechtlicher Status sofort geklärt werden.

Angesichts der neuen Rechtslage könnte dieser den Betroffenen gar nicht mehr weiterhelfen. Erst vor zehn Tagen hat die chinesische Führung ein umfangreiches „Sicherheitsgesetz“ verabschiedet, das der Staatssicherheit weitreichende Befugnisse einräumt. So gut wie jede Handlung kann als „relevant für die nationale Sicherheit“ erklärt werden und ermächtigt sie, Verdächtige wie Terroristen oder Staatsfeinde zu behandeln.

Willkür „gesetzlich untermauert“

Chinas Staatspräsident Xi hatte nach seinem Amtsantritt mehr Rechtsstaatlichkeit versprochen. Die gibt es auch – allerdings nicht im Sinne der Bürger. Vielmehr sei die Behördenwillkür nun gesetzlich untermauert, wettert ein chinesischer Menschenrechtsaktivist, der wegen der aktuell bedrohlichen Lage namentlich nicht genannt werden möchte.

Die Festnahmen könnten auch Chinas Verhältnis zur deutschen Bundesregierung belasten. Die chinesische Führung ist derzeit sehr um Deutschland bemüht. Sie will ihre Industrie umbauen und setzt vor allem auf deutsche Maschinen und deutsches Wissen. Mitte der Woche will Chinas Staatspräsident Xi den deutschen Vizekanzler und Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, sogar persönlich in der Großen Halle des Volkes in Peking empfangen – eine Ehre, die einem ausländischen Minister nur selten zuteil wird.
Angesichts der Verschärfung der Bürgerrechte hatte der deutsche Justizminister, Heiko Maas, während seines Besuchs vergangene Woche in Peking Chinas Rechtsstaatlichkeit infrage gestellt und gemahnt, den Druck auf China bei der Menschenrechtsfrage aufrechtzuerhalten.

Bei Gabriels Peking-Besuch sollte dieses Thema eigentlich nicht noch einmal offiziell aufgegriffen werden. „Der Vizekanzler sollte auf jeden Fall Deutschlands Betroffenheit über die Welle von Festnahmen äußern“, fordert nun jedoch Amnesty.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2015)

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