Sri Lanka: Hunderte Tote durch Angriffe der Armee

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Sri Lanka(c) REUTERS (HO)
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Die Organisation "Human Rights Watch" wirft den Streitkräften Sri Lankas Kriegsverbrechen vor. Die Regierung hindert Journalisten und internationale Beobachter daran, sich ein Bild von der Lage zu machen.

NEU-DELHI. Seit Monaten mehren sich Vorwürfe, wonach Sri Lankas Armee immer wieder Zivilisten im Kriegsgebiet im Nordosten des Landes beschießt. Nun erklärten die Rebellen der „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE), durch schweren Artilleriebeschuss seien am Wochenende mehr als 1200 Zivilisten getötet worden. Überprüfen lässt sich der Vorwurf nicht: Sri Lankas Regierung hindert unabhängige Journalisten und internationale Beobachter daran, sich ein Bild von der Lage zu machen.

Doch Mitarbeiter der staatlichen srilankischen Gesundheitsbehörde, die sich im Kampfgebiet aufhalten, bestätigten, dass etliche Zivilisten ums Leben gekommen seien. 378 Tote seien demnach bis zum Sonntagnachmittag in ein Krankenhaus gebracht worden; viele weitere Tote lägen in den Straßen. Weitere tausend Menschen sollen bei dem Angriff verletzt worden sein.

Bombenkrater in „Schutzzone“

Die Regierung wies die Vorwürfe zurück. Die Region, in der sich noch bis zu 50.000 Zivilisten aufhalten sollen, werde schon seit Wochen nicht mehr mit Artillerie beschossen oder aus der Luft angegriffen. Die Regierung wolle zivile Opfer vermeiden, heißt es dazu stets aus der Hauptstadt Colombo. Die Militäroffensive gegen die Rebellen, die im Propagandajargon „humanitäre Operation“ heißt, diene vielmehr dazu, die „Geiseln aus den Klauen der Terroristen“ zu befreien.

Vor anderthalb Wochen geriet die Regierung jedoch kurzzeitig ins Wanken. Die UN-Organisation Unosat veröffentlichte Satellitenaufnahmen aus dem Kampfgebiet, die tiefe Bombenkrater in der von der Regierung ausgewiesenen „Schutzzone“ für Zivilisten zeigen. Colombo bestritt zunächst, dafür verantwortlich zu sein, erklärte jedoch später, die Krater stammten von Angriffen Wochen zuvor. Ein Unosat-Experte erklärte, die Aufnahmen seien zwischen 15. und 19. April entstanden und belegten, dass der Beschuss nachweisbar zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, an dem sich zigtausend Zivilisten in dem winzigen Areal aufhielten.

Verhaftete Reporter

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erklärt, die Armee habe seit Dezember in mindestens 30 Fällen Krankenhäuser und Feldlazarette beschossen und damit Kriegsverbrechen begangen. Aussagen von Patienten, Ärzten und anderen Zeugen belegten die Vorfälle. Colombo reagierte empört. HRW betreibe eine „Kampagne“, um Sri Lanka zu diskreditieren. Die Vorwürfe seien erfunden.

Nach Morden und Übergriffen auf kritische Journalisten in Sri Lanka wird die Arbeit nun auch für ausländische Berichterstatter gefährlicher. Ein Reporterteam des britischen Senders Channel4 wurde am Samstag in der Stadt Trincomalee im Osten des Landes festgenommen, weil es „dem Ansehen der Regierungstruppen geschadet“ habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2009)

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