Türkei: Zwei Soldaten bei Attentat auf Militärkonvoi getötet

Türkische Polizei bewacht das Gebiet in Diyarbakir, wo das Attentat passierte.
Türkische Polizei bewacht das Gebiet in Diyarbakir, wo das Attentat passierte.(c) Imago
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"Terroristen" seien für die Tat verantwortlich, sagten türkische Behörden. Die Türkei geht gegen den IS und gegen Kurden vor.

Zwei Soldaten sind bei einem Anschlag auf einen Konvoi im kurdisch geprägten Südosten der Türkei getötet worden. Vier weitere Soldaten seien bei dem Attentat in der Provinz Diyarbakir verletzt worden, berichtete die Nachrichtenagentur DHA am Sonntag unter Berufung auf den Gouverneur. Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat sich inzwischen zu dem Anschlag bekannt.

Die türkischen Behörden teilten zuvor mit, "Terroristen" seien für die Tat verantwortlich. Der Begriff wird in der Türkei üblicherweise für kurdische Rebellen benutzt. Die Provinz ist überwiegend von Kurden bewohnt.

Unter dem Etikett der "Antiterroroperation" ist Ankara nach einer langen Zeit des Zusehens offenkundig entschlossen militärisch aktiv zu werden. Das gilt sowohl dem IS als auch der „separatistische Terrororganisation“ PKK.

Die Türkei hatte zuvor ihre Luftangriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und auf Lager der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak ausgeweitet: Am Samstag bestätigte die Regierung in Ankara neue Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien und auf militärische PKK-Einrichtungen im Nordirak. Bei sogenannten Antiterrorrazzien nahm die türkische Polizei hunderte Verdächtige fest.

Kritik: Vorgehen gegen Kurden

Teheran und Berlin kritisieren das Vorgehen Ankaras. Zuvor hatte es bereits heftige Kritik von Oppositionellen in der Türkei gegeben, die in den militärischen Aktionen vor allem ein Vorgehen gegen Kurden im Land sehen. Die Ausweitung des Konflikt löst nach Angaben der deutschen Regierung derzeit keinen NATO-Bündnisfall aus.

Parallel zu den türkischen Luftangriffen beschossen Bodentruppen von der Türkei aus Stellungen der IS-Extremisten und der PKK in den Nachbarländern Syrien und Irak. Dem Büro von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu zufolge bombardierten die Kampfjets im Nordirak Ziele wie Unterstände und Waffenlager der im Land verbotenen PKK. Zu den genannten Orten gehören auch die Kandil-Berge, wo die kurdischen Kämpfer ihr Hauptquartier haben. Nach Angaben aus dem Irak wurden ein PKK-Anhänger getötet sowie drei Kämpfer und zwei Zivilisten verletzt. Kurdische Kämpfer gehen sowohl im Irak als auch in Syrien gegen die IS-Jihadisten vor.

Begleitet wurden die Luftangriffe von einer Festnahmewelle im Inland: Laut Davutoglu wurden seit Freitag landesweit 590 Verdächtige wegen Verbindungen zu "Terrororganisationen" festgenommen. Davutoglu betonte, die Regierung werde den Friedensprozess fortsetzen. "Wir wenden zugleich Stärke und Mitgefühl an", sagte er. "Aber diejenigen, die den Friedensprozess missbrauchen, werden niemals toleriert werden." Die PKK wird von der türkischen Regierung als "Terrororganisation" eingestuft. Der militärische Flügel der PKK, die kurdischen Volksverteidigungskräfte (HPG), hatten sich in dieser Woche zur Tötung zweier Polizisten in der Türkei bekannt. Sie erklärten, die beiden Polizisten seien dem IS nahe gestanden.

Für den fragilen Friedensprozess Ankaras mit den Kurden stellen die Angriffe auf die PKK-Stellungen eine schwere Belastungsprobe dar. Die HPG erklärten auf ihrer Website, Ankara habe den Waffenstillstand "einseitig beendet". Angesichts der Bombardierungen habe der Waffenstillstand "keine Bedeutung mehr".

Wasserwerfer bei Anti-IS-Demo

Am Samstag ging die türkische Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas in Ankara gegen rund 1000 Menschen vor, die in der Hauptstadt gegen die IS-Extremisten demonstrierten. Nach Angaben türkischer Medien lag die Zahl der Festnahmen in Ankara bei etwa 30. Die Demonstranten kritisierten die türkische Regierung für ihre jüngsten Luftwaffeneinsätze in Syrien und dem Irak und verurteilten den Anschlag in Suruc an der Grenze zu Syrien, bei dem am Montag 32 Menschen getötet und etwa hundert weitere verletzt wurden. Die Tat wird vor allem vonseiten Ankaras dem IS zugeschrieben. Ob die Jihadisten die Verantwortung für Attentat übernehmen, ist bisher nicht bekannt.

"Friedensmarsch" von Kurdenpartei verboten

In Istanbul verboten die Behörden einen für Sonntag geplanten "Friedensmarsch" der Kurdenpartei HDP. Zur Begründung hieß von Seiten der Stadtverwaltung, es müsse mit "starkem Verkehr" gerechnet werden, zudem seien die Sicherheit gefährdende "Provokationen" zu befürchten.

Der Iran kritisierte indes die Aktionen der Türkei: Nach den Worten von Außenamtssprecherin Marziyeh Afkham wäre eine gemeinsame Zusammenarbeit der regionalen Staaten im Kampf gegen den IS effektiver als ein Alleingang der Türkei. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen (CDU) übte ebenfalls Kritik an dem Vorgehen der Türkei gegen die PKK. Es sei wichtig, dass Ankara "den eingeschlagenen Pfad der Versöhnung" mit der Arbeiterpartei Kurdistans nicht verlasse, sagte die CDU-Politikerin der "Bild am Sonntag".

Die Ausweitung des Konflikts löst nach Angaben aus der deutschen Regierung derzeit nicht den NATO-Bündnisfall aus. "Dazu hat die Türkei weder einen Antrag gestellt noch ist dazu eine Sitzung des NATO-Rates geplant", sagte ein Regierungsvertreter am Samstag in Berlin.

Die türkische Luftwaffe hatte am frühen Freitagmorgen erstmals Stellungen der IS-Extremisten im Nachbarland Syrien bombardiert. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden dabei mindestens neun IS-Kämpfer getötet und zwölf weitere verletzt. Am Freitagabend und am Samstag in der Früh setzte die Luftwaffe ihre Einsätze fort.

Kehrtwende der Regierung

Die Luftangriffe auf die IS-Stellungen markieren eine Kehrtwende. Die islamisch-konservative Regierung in Ankara war lange dafür kritisiert worden, zu wenig gegen die IS-Extremisten zu tun. Nach monatelangen Verhandlungen erlaubte die Türkei nun zudem den USA die Nutzung des Luftwaffenstützpunkts Incirlik. Grund für den nunmehr offenen Konflikt Ankaras mit dem selbstproklamierten IS-Kalifat in Syrien und im Irak ist vor allem der Anschlag im südtürkischen Suruc.

IS-Extremisten haben nach Informationen der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London am Samstag zwei Autobomben nahe der von Kurden kontrollierten Stadt Tel Abyad (Syrien) gezündet. Bei dem Anschlag in zwei Dörfern an der Grenze zur Türkei habe es Opfer gegeben, teilte die Organisation mit. Die Autobomben seien an Kontrollpunkten der kurdischen Kämpfer gezündet worden. Details waren zunächst nicht bekannt.

(Ag.)

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