IS-Extremisten verschleppen in Syrien mehr als 230 Zivilisten

Eine syrische Frau ist vor dem IS geflüchtet
Eine syrische Frau ist vor dem IS geflüchtetREUTERS
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Auch nach einem Jahr Luftkrieg gegen den IS geben sich die Jihadisten nicht geschlagen. Die UNO verlangt die Untersuchung möglicher Chlorgasangriffe in Syrien.

Damaskus/Washington. Heute vor einem Jahr haben die internationalen Luftschläge gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) begonnen. Ins Wanken ist das sogenannte Kalifat, das die Extremisten im Juni 2014 ausgerufen haben, aber nicht geraten. Nun hat der Islamische Staat gezeigt, dass er nach wie vor dazu imstande ist, Terror gegen die Zivilbevölkerung auszuüben. Nach Angaben syrischer Aktivisten haben IS-Kämpfer mindestens 230 Zivilisten im Zentrum Syriens entführt. Unter den Verschleppten wären mehr als 60 Christen sowie 170 Sunniten, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag. Den Gekidnappten wird vom IS offenbar „Kollaboration“ mit dem syrischen Regime vorgeworfen. Die Menschen wurden bereits am Donnerstag aus dem Ort Karjatain, der tags zuvor von den Jihadisten erobert worden war, verschleppt.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle operierte der IS mit einer Namensliste von Personen, die festgenommen werden sollten. Die Jihadisten hätten dann aber ganze Familien verschleppt, die flüchten wollten. Viele der nun gekidnappten Christen waren schon einmal geflohen – und zwar aus der Stadt Aleppo nach Karjatain. Nach Angaben von Christen in Damaskus und Karjatain selbst befanden sich vor dem Angriff der Jihadisten jedoch nur noch etwa 300 Christen in der Ortschaft. Karjatain liegt an einem wichtigen Verbindungsweg zwischen Gebieten, die der IS im Osten von Homs und weiter westlich rund um Kalamun kontrolliert. Die Eroberung von Karjatain erlaubt dem IS, zwischen den beiden Gebieten Kämpfer zu verschieben sowie Lebensmittel zu transportieren.

5900 Luftangriffe gegen den IS

Unterdessen hat die US-Militärführung ihre Bilanz von einem Jahr Luftkrieg gegen den Islamischen Staat gezogen. Seit Beginn am 8. August 2014 hätte es mehr als 5900 Luftschläge gegen den IS im Irak und in Syrien gegeben, teilte das Verteidigungsministerium in Washington mit. Ziel der Angriffe sei gewesen, die Beweglichkeit der IS-Kämpfer einzuschränken, den Nachschub abzuschneiden und die Kommandostruktur der Extremisten zu beeinträchtigen, so der Kommandant des Einsatzes, US-Generalleutnant C. Q. Brown Jr. Demnach haben die Luftschläge die Fähigkeit der Terrormiliz eingeschränkt, große Offensiven zu starten. Dadurch habe man Kräfte, die am Boden gegen die Terrormiliz kämpfen, unterstützen können. Zuvor hat US-Vizeaußenminister Tony Blinken mitgeteilt, dass 10.000 IS-Kämpfer bei Angriffen getötet worden seien. Dennoch ist der IS nach Einschätzung der US-Geheimdienste kaum geschwächt worden und so stark wie vor einem Jahr.

Auch Moskau trägt UN-Resolution mit

Die Verbrechen des IS und der Kampf gegen die Extremisten ist aber nur eine Facette des verheerendes Bürgerkriegs in Syrien. Für den Großteil der zivilen Opfer sind nach wie vor die Truppen des Machthabers Bashar al-Assad verantwortlich. Assads Luftwaffe fliegt immer wieder Angriffe auf zivile Ziele, ganze Wohnblocks werden mit sogenannten Fassbomben verwüstet. Assads Truppen kämpfen gegen eine Reihe von Rebellengruppen, die zugleich auch vom IS bekämpft werden.
Zuletzt häuften sich erneut Meldungen vom Einsatz von Chlorgas in Syrien. Der UN-Sicherheitsrat hat am Freitag eine Untersuchung dieser Giftgasangriffe beschlossen. Die 15 Mitgliedstaaten des Gremiums nahmen einstimmig eine Resolution an, die ein Expertenteam befugt, die Verantwortlichen für die Attacken mit „Chlorgas und anderen giftigen Chemikalien“ ausfindig zu machen. Der Text wurde auch von Russland mitgetragen, einem der wenigen verbliebenen Verbündeten des syrischen Machthabers Assad. In der Vergangenheit hatte Moskau im UNO-Sicherheitsrat Resolutionen zu Syrien mehrfach mit einem Veto verhindert.
Syrien hatte 2013 einer Zerstörung seines C-Waffenarsenals zugestimmt, nachdem die USA mit einer Militärintervention gedroht hatten. Diese C-Waffenbestände wurden offenbar auch weitgehend vernichtet. Chlorgas wird hingegen in der Industrieproduktion verwendet und gilt nicht formal als Giftgas. Es kann aber auch als Kampfmittel eingesetzt werden. (APA/Reuters/dpa/red.)

(APA/dpa)

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