Sri Lanka: Letzte Zuckungen der Separatisten

Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse.
Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse.(c) Reuters
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Die tamilischen Rebellen schienen am Wochenende militärisch besiegt von der Armee. Doch sie kündigten eine neue Phase des Guerillakrieges an. Ziel: der Tourismus, speziell „wirtschaftlich wertvolle Ziele“.

COLOMBO (Reuters, red.). Die separatistische Tamilen-Bewegung „Befreiungstiger“ schien am Wochenende in ihren letzten Zuckungen zu verharren, ihr mehr als 25-jähriger Kampf gegen die Zentralgewalt auf der südasiatischen Insel Sri Lanka zu Ende zu gehen. Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse verkündete am Samstag den Sieg über die Separatisten und den „Beginn eines neuen Zeitalters“. In einem den Rebellen nahestehenden Internetdienst verkündeten die Befreiungstiger am Sonntag, die Waffen niederzulegen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Dann wieder heiß es, die Tiger verteidigten ihre Positionen.

Mysteriös auch die Meldungen über Rebellenführer Vekkupillai Prabhakaran, dessen Leichnam angeblich gefunden wurde. Ein Sprecher der Regierungsarmee von Sri Lanka dementierte Angaben aus anderen Militärquellen, wonach die Leiche des Rebellenführers gefunden und zur Identifizierung weggeschafft worden sei. Prabhakaran hatte immer erklärt, dass er der Armee niemals lebend in die Hände fallen würde.

Ein unabhängiges Bild des Geschehens im Kampfgebiet im Nordosten Sri Lankas zu bekommen, war in den letzten Tagen und Wochen praktisch unmöglich. Ausländische Berichterstatter wurden nicht in die Kriegszone gelassen und beide Konfliktparteien verbreiteten nur sehr einseitige Darstellungen über den Verlauf der Kämpfe. Sicher ist jedoch, dass Teile der Separatisten sich auch am Sonntag nicht geschlagen gaben und die vorrückenden Regierungstruppen mit Selbstmordaktionen aufzuhalten versuchten.

Missbrauchte Zivilisten

Sri Lankas Armee meldete am Sonntag, dass die letzten Zivilisten aus dem Rebellengebiet in Sicherheit gebracht werden konnten. Schätzungsweise 50.000 seien allein in den vergangenen drei Tagen aus der Kampfzone geflohen. Die Rebellen wiederum behaupteten gestern, die Armee habe bei ihrem Vormarsch mit ihren Artillerieangriffen 25.000 Menschen getötet oder verwundet.

Die Vereinten Nationen hatten den Befreiungstigern zuletzt vorgeworfen, sie missbrauche zehntausende Zivilisten als menschliche Schutzschilde. Die Konfliktparteien beschuldigten sich gegenseitig, keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen. Diplomaten bestätigten, dass von beiden Seiten viele Zivilisten getötet worden seien. Seit Samstag kontrolliert die Regierungsarmee auch erstmals seit Ausbruch ihres Krieges mit den Separatisten die gesamte Küstenlinie Sri Lankas. Das bedeutet, dass für die Befreiungstiger der Fluchtweg über das Meer versperrt ist. Noch vor drei Jahren hatten die Rebellen ein 15.000 Quadratmeter großes Gebiet im Norden und Osten der Insel unter ihrer Kontrolle gehabt.

Tourismus im Visier

Sri Lanka hat schwer unter dem Krieg gegen die Befreiungstiger gelitten, insbesondere auch wirtschaftlich. Die Aufrüstung der Armee hat große Teile des Budgets aufgefressen, dazu kommen die Einnahmenverluste im Tourismus auf der einstmals beliebten Urlaubsinsel. Die Regierung von Präsident Rajapakse, die morgen im Parlament ihren militärischen Sieg offiziell verkünden will, hofft nun, dass durch das Ende des Krieges der wirtschaftliche Wachstumsmotor wieder angeworfen werden kann.

Die Tamilen-Separatisten haben freilich schon gewarnt, dass ihre jetzige Niederlage gegen die Regierungstruppen keineswegs das Ende ihres Kampfes bedeuten werde. Vielmehr werde es bald zu einer neuen Phase des Guerillakrieges kommen, wobei speziell „wirtschaftlich wertvolle Ziele“ ins Visier genommen würden. Damit sind offenkundig auch touristische Ziele gemeint. Die Befreiungstiger haben durch Attentate und Selbstmordanschläge in den vergangenen 25 Jahren hunderte, wenn nicht tausende Menschen getötet und gelten in 30 Staaten als terroristische Organisation.

Kommentar Seite 27

25 JAHRE BÜRGERKRIEG

1983. Die Tamilen-Tiger starten erste Attentate auf Soldaten. Es kommt zu Ausschreitungen in Sri Lankas Hauptstadt Colombo.

1987. Indien schickt Truppen. Die tamilische Befreiungsorganisation (LTTE) verweigert eine Entwaffnung und tötet rund 1000 indische Soldaten

1990. Die Tamilen-Tiger kontrollieren die Stadt Jaffna.

1991. Ein mutmaßliches Mitgliedder Terrorgruppe ermordet mit einem Selbstmordanschlag den indischen Premier Rajiv Gandhi.

1995. Die Tiger verlieren die Kontrolle über die Stadt Jaffna.

1995–2000. Der Krieg der Tamilen-Tiger gegen die Regierung weitet sich im Norden und Osten von Sri Lanka aus. Ein Selbstmordanschlag auf die Zentralbank fordert rund 100 Todesopfer.

2004–2005. Die tamilische Befreiungsorganisation LTTE bricht auseinander. Der Anti-Tiger-Hardliner Mahinda Rajapaksa gewinnt die Präsidentenwahl.

2006. Die Kämpfe werden intensiviert. Verhandlungen scheitern.

2007. Die Regierungstruppen nehmen Stützpunkte der Tiger im Osten des Landes ein.

2008. Die Regierung kündigt den Waffenstillstand und beginnt mit einer Offensive gegen die Tiger.

2009. Tamilen müssen sich immer mehr zurückziehen. Regierungstruppen gewinnen die Oberhand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2009)

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