Hamas und Israel wollen offenbar Waffenruhe vereinbaren

Palestinian Hamas militants take part in an anti-Israel military parade in Beit Hanoun town in the northern Gaza Strip
Palestinian Hamas militants take part in an anti-Israel military parade in Beit Hanoun town in the northern Gaza Strip REUTERS
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Laut arabischen Medien stehen Israel und die radikale Hamas vor einer Einigung über ein auf mehrere Jahre angelegtes Abkommen, das auch eine Öffnung der Seeblockade vorsieht.

Jerusalem. Die radikal-islamistische Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, bietet Israel einen fünf bis zehn Jahre währenden Waffenstillstand an. Das berichten arabische Tageszeitungen. Demzufolge erwäge Israel im Gegenzug, die Seeblockade aufzuheben und tausenden palästinensischen Arbeitern Einreisegenehmigungen zu erteilen.

Drei Kilometer vor der Küste Gazas soll zudem ein Seehafen für Warentransporte von und nach Zypern errichtet werden. Offiziell halten sich beide Seiten bedeckt. Israel „hält keinerlei Treffen mit der Hamas“ ab, hieß es in einer Mitteilung, die das Büro von Premier Benjamin Netanjahu am Dienstag an Journalisten schickte, „weder direkt, noch über andere Länder, noch über Vermittler“.

Die Fatah-Führung im Westjordanland beeilte sich mit einer Verurteilung einer möglichen Einigung ohne ihr Zutun. „Jedes unilaterale Vorgehen, vor allem, wenn es die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation), die Alleinvertretung der Palästinenser, übergeht, wird mit Sicherheit scheitern“, kommentierte Ashraf Khatib, ein Sprecher der PLO in Ramallah, auf telefonische Anfrage der „Presse“. Ein solches Abkommen diene „nicht dem palästinensischen Volk, sondern nur dem Interesse Israels, die Spaltung zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland zu vertiefen“.

Tony Blair zieht angeblich die Fäden

Seit dem Gaza-Krieg im vergangenen Sommer gab es mehrere internationale Vorstöße, um erneute Auseinandersetzungen langfristig zu unterbinden. Die Regierung in Katar schickte eine Delegation nach Gaza, auch die türkische Regierung war involviert. Der liberalen Zeitung „Haaretz“ zufolge ist der britische Ex-Premier Tony Blair federführend bei der Annäherung an die Hamas. Blair war bis Mai Chef des Nahostquartetts, bestehend aus UN, USA, EU und Russland. „Ironischerweise ist Blair erst nach dem Rücktritt von seinem Posten relevanter als je zuvor“, schreibt „Haaretz“. „Denn er ist nicht länger an die Quartett-Bedingungen gebunden, die ihm Kontakte zur Hamas untersagten.“

Der Politologe Mkhaimar Abusada von der Al-Ashar Universität in Gaza glaubt fest, dass ein Abkommen unmittelbar bevorsteht. „Blair hat (Hamas-Politbürochef Khaled) Meshaal in den letzten Wochen zweimal getroffen, das passiert nicht ohne Grund.“ Zudem habe Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas durchblicken lassen, dass es „nicht nur indirekte Verhandlungen gibt, sondern in einem afrikanischen Land, dessen Namen er nicht nennen wollte, direkte Kontakte gab“. Im Moment warte die Hamas auf grünes Licht aus Kairo, um via Ägypten „vermutlich weiter in die Türkei oder nach Katar zu reisen“, vermutet Abusada. Der Politologe bezweifelt allerdings, dass die ägyptische Regierung, die der Hamas vor einigen Monaten offiziell den Status einer Terrororganisation verlieh, die Delegation ausreisen lassen wird. Ägypten beharrt darauf, dass jedes Abkommen, wie bei der Waffenstillstandseinigung vor einem Jahr, von allen palästinensischen Fraktionen gemeinsam getragen wird.

Der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist seit Anfang der Woche für den Personenverkehr geöffnet, soll aber ab Donnerstag wieder geschlossen werden. Der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan zufolge versicherte der frühere Hamas-Regierungschef Ismail Haniyeh, dass er einem separaten Handel über Gaza nicht zustimmen werde. „So sehr der Gazastreifen unter der Blockade und der Zerstörung leidet, so kann ich doch von Jerusalem und der Al-Aqsa-Moschee nicht ablassen“, zitierte ihn Maan.

Keine Passage zur Westbank?

Die PLO im Westjordanland ist irritiert von dem sich abzeichnenden Abkommen. Warum treibt die Hamas einen Küstenkorridor voran und nicht die Öffnung der Landpassage, die den Gazastreifen mit dem Westjordanland verbindet, heißt es auf der Homepage der Fatah. „Ist Gaza nur eine humanitäre Angelegenheit oder Teil des palästinensischen Heimatlandes?“ Dem Politologen Abusada indes ist es „völlig egal“, welche Fraktion dafür sorgt, dass die Blockade aufgehoben wird. „Hier leben 1,9 Millionen Menschen seit acht Jahren abgeschnitten von der Welt. Blockade, Armut, kein Strom – wir sind es leid.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2015)

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