Sri Lanka: Der Preis des Sieges

Colombo Sri Lanka
Colombo Sri Lanka(c) REUTERS (DAVID GRAY)
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Sri Lankas Regierung feiert den militärischen Sieg über die Rebellen der "LTTE". Doch 200.000 bis 300.000 tamilische Zivilisten wurden in Internierungslager gebracht - ohne Zugang für Hilfsorganisationen.

Delhi/Colombo. Sri Lankas Regierung feiert den militärischen Sieg über die Rebellen der „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE). Präsident Mahinda Rajapakse sagte am Dienstag in einer Rede vor dem Parlament, Sri Lanka sei nun vollkommen aus den „Klauen des separatistischen Terrorismus“ befreit: „Der Krieg gegen die LTTE ist kein Krieg gegen das tamilische Volk.“ Mehrfach betonte er, es habe sich bei der Militäroffensive um eine „humanitäre Operation“ gehandelt: „Unsere heroischen Streitkräfte haben ihre Leben geopfert, um tamilische Zivilisten zu beschützen.“
Etwas später sendete das Staatsfernsehen Aufnahmen des getöteten Rebellenführers Velupillai Prabhakaran. Soldaten reihten sich um den toten LTTE-Führer, der eine Uniform trug und auf dem Rücken lag. Die Bilder lassen darauf schließen, dass Prabhakaran mit einer schweren Schusswaffe in die Stirn geschossen wurde. Brigadegeneral Udaya Nanayakkara, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, widersprach einer Erklärung vom Vortag, wonach Prabhakaran getötet worden sei, als er in einem Krankenwagen aus seinem Versteck fliehen wollte. Darin hieß es, Soldaten hätten im Kampfgebiet einen Krankenwagen mit Raketen beschossen und anschließend die Leiche des LTTE-Chefs darin entdeckt.

Die LTTE erneuerte in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung die Vorwürfe von Kriegsverbrechen: Zwei ihrer Anführer seien am Montag auf Einladung der Armee während einer Feuerpause, die ausländische Botschaften ausgehandelt hätten, unbewaffnet aus dem Rebellengebiet herausgekommen, um mit der Armeeführung über die Bedingungen einer Kapitulation zu verhandeln. Daraufhin hätten sie Soldaten festgenommen und auf der Stelle erschossen. In der Erklärung heißt es auch, Prabhakaran sei noch „am Leben und in Sicherheit“.

Ermittlungen gegen UN-Sprecher

Was sich in den letzten Tagen des brutalen Bürgerkrieges in der auf wenigen hundert Quadratmeter geschrumpften Kampfzone abgespielt hat, lässt sich nicht überprüfen. Die Regierung hat während der eineinhalb Jahre dauernden Offensive unabhängige Beobachter daran gehindert, aus dem Kampfgebiet zu berichten. Bis heute hindert sie Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Journalisten daran, mit den auf 200.000 bis 300.000 geschätzten tamilischen Zivilisten aus dem Kampfgebiet zu sprechen, die in Internierungslager gebracht wurden.

Die Lage der Meinungsfreiheit verschlechtert sich weiter: Selbst ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Botschaften und internationalen Organisationen müssen verstärkt Repressalien befürchten. Vor wenigen Tagen erklärte die Regierung, gegen Gordon Weiss, den Sprecher der Vereinten Nationen in der Hauptstadt Colombo, werde „ermittelt“. Weiss hatte mehrfach erklärt, beide Konfliktparteien stünden im Verdacht, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Unter den derzeit gültigen Notstandsgesetzen könnte er ohne Haftbefehl bis zu 18 Monate lang festgesetzt werden.

EU empfiehlt Schweigen

Die Europäische Union hat eine Warnung an alle EU-Staatsbürger herausgegeben, die in Sri Lanka für Botschaften und Organisationen arbeiten: Sie sollen es vermeiden, sich in der Öffentlichkeit über den militärischen Konflikt und die Regierung zu unterhalten. Die Regierung habe im Radio alle Bürger Sri Lankas dazu aufgerufen, sie über eine eigens dafür eingerichtete Hotline darüber zu informieren, wenn sie mitbekommen, dass sich Ausländer kritisch über die Regierung oder die Armee äußern. „Bitte achten Sie auf Ihre Umgebung und darauf, mit wem Sie sich unterhalten, wenn Sie solche Dinge besprechen“, heißt es in der Erklärung. Die Regierung erklärte, sie wisse nichts von einer solchen Hotline.

Doch die Bedrohung ist real: Erst vor knapp einer Woche wurde ein Kamerateam des britischen Senders Channel 4 im Osten bei Dreharbeiten festgenommen und ausgewiesen. Die Journalisten hätten in einem zuvor ausgestrahlten Bericht „dem Ansehen der Streitkräfte“ geschadet.

Angst vor Folter

Die Organisation „Ärzte für Menschenrechte“ erklärte, drei ihrer einheimischen Ärzte seien am Montag von der Armee im Kampfgebiet festgenommen worden. Es handele sich dabei um jene Mitarbeiter der staatlichen Gesundheitsbehörde, die in den vergangenen Wochen immer wieder aus der Kampfzone über massiven Artilleriebeschuss und über etliche getötete Zivilisten berichtet haben. „Ärzte für Menschenrechte“ fürchtet, dass die Sicherheitskräfte übermäßige Gewalt oder Folter als Rache einsetzen werden, weil sie detaillierte Informationen über den Beschuss durch Regierungstruppen und über zivile Opfer im Konfliktgebiet an ausländische Medien und Menschenrechtsgruppen herausgegeben haben, heißt es in einer Erklärung der Organisation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2009)

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