Deutschland: Flexibilität statt Gründlichkeit

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Die deutschen Gesetze stehen bei der Unterbringung von Flüchtlingen oft im Weg. Das soll sich nun ändern, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Berlin. Deutschland rechnet in diesem Jahr mit der Ankunft von bis zu 800.000 Flüchtlingen. Angesichts dessen hat Kanzlerin Angela Merkel am Montag vor Journalisten dazu aufgerufen, gesetzliche Rahmenbedingungen künftig etwas elastischer zu gestalten. „Die deutsche Gründlichkeit ist super“, sagte Merkel. „Aber jetzt wird deutsche Flexibilität gebraucht.“ Schließlich sei man im Zuge der deutschen Einheit auch neue Wege gegangen.

Das bedeute, gewisse Regelungen – zumindest vorübergehend – außer Kraft zu setzen. Etwa wenn es um die Geländerhöhe oder Brandschutzrichtlinien bei der Unterbringung von Flüchtlingen in bestimmten Quartieren gehe. Schließlich gebe es in Zelten ja auch keine Brandschutzregelungen, so die Kanzlerin. Als weiteres Beispiel dafür, wo Flexibilität gefragt sei, nannte sie die hohe Anzahl von unbegleiteten Minderjährigen in Deutschland. Um diese zu betreuen, bedarf es bestimmter Personen. Doch eine entsprechende Ausbildung als Erzieher dauere normalerweise vier Jahre. So lange könnten die Jugendlicher aber nicht warten. „Da muss man sich etwas einfallen lassen“, sagte Merkel. „Wir schaffen das. Deutschland ist ein starkes Land.“

Bund beteiligt sich an Kosten

Lobend hob sie die couragierte deutsche Zivilgesellschaft sowie die Berichterstattung der Medien darüber hervor. Es würden auf diese Weise Vorbilder gezeigt, die anderen Mut machen. Ausdrücklich stellte sie aber klar, dass es keine Toleranz gegenüber denjenigen gebe, die die Würde anderer in Frage stellen. In den vergangenen Wochen war es in Deutschland zu zahlreichen rechtsextremen Ausschreitungen gegen Füchtlingsunterkünfte gekommen.

Weil die Hauptbelastung der Flüchtlingsunterbringung vor allem bei Ländern und Kommunen liegt, werde sich die öffentliche Hand auch finanziell an den Kosten beteiligen, so Merkel. Konkrete Summen nannte die Kanzlerin jedoch nicht. In diesem Jahr hat die Regierung den Städten eine Milliarde Euro an Unterstützung zugesagt.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatte erst kürzlich von drei Milliarden Euro gesprochen, die notwendig seien, um die Länder in dieser Frage zu entlasten. Der Bund werde einer fairen Kostenverteilung nicht im Wege stehen, sagte Merkel gestern. Am 24. September will die Regierung gemeinsam mit den Bundesländern auf einem Flüchtlingsgipfel die notwendigen Entscheidungen dafür auf den Weg bringen. (nst)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

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