Aufruf des Pontifex verhallt

Tschechien. Kirchenobere gehen auf Distanz: „Vorrang haben Wünsche des Staates.“ Pfarrer kritisieren fehlende Flüchtlingsstrategie in Prag.

Prag/Budapest. Die katholischen Pfarrer in Tschechien fühlen sich von ihren Kirchenoberen in der Flüchtlingsfrage alleingelassen. Erst recht nach der Bitte des Papstes, jede Pfarrei möge eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. Denn der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Tomas Holub, sagt: „Vorrang für die Bischöfe haben die Wünsche und Bedürfnisse des Staates.“ Und Tschechien gehört eben zu jenen Ländern, die sich bisher gegen verpflichtende Quoten zur Aufteilung von Flüchtlingen gesperrt haben und deren Staatsoberhaupt Flüchtlingen ausrichtet, sie seien im Land nicht willkommen.

Ja, die Kirche empfange die Bedrängten mit offenen Armen, sagte nun zwar der Prager Erzbischof, Dominik Duka, im Kirchenradio Proglas. Man müsse aber wachsam sein. Es bestehe die Gefahr, „dass mit der Welle der Migranten auch Feinde zu uns kommen. Wir wissen schließlich gut, wie junge Menschen und sogar Kinder für Terrorakte missbraucht werden.“ Und wörtlich: „Das Recht auf Leben und Sicherheit unserer Familien und der Bürger dieses Landes steht über allen anderen Rechten.“

Der Referent der Prager Pfarrerakademie, Martin Stanek, kritisiert in der „Lidove noviny“ nun direkt den Erzbischof: „Ich habe keine Ahnung, ob der Kardinal im Rahmen der Kirche irgendeine Strategie erarbeitet hat. Wir haben jedenfalls keinerlei Instruktionen, wie wir mit dem Aufruf des Papstes umgehen sollen.“ (hjs)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2015)

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