Kurz: "In Syrien blüht uns ein Stellvertreterkrieg"

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Außenminister Sebastian Kurz über Assads Rolle bei einer Friedenslösung und das Zeitfenster nach dem Iran-Atomdeal.

Die Presse: Durch Russlands Militärengagement in Syrien droht eine weitere Eskalation. Wie kann man dem Einhalt gebieten?

Sebastian Kurz: Was beim Iran-Abkommen gelungen ist, muss auch hier gelingen: ein internationaler Schulterschluss für ein Ende der Gewalt in Syrien. Daher sollte die UN-Generalversammlung in zwei Wochen für Verhandlungen genutzt werden, damit die internationale Gemeinschaft geschlossener vorgeht. Unsere gemeinsamen Ziele müssen ein Ende der Gewalt und eine Bekämpfung des IS sein.

Sie haben einen Vorstoß unternommen, Syriens Diktator Assad im Kampf gegen den IS-Terror einzubinden. Warum jetzt und warum ausgerechnet im Iran, der Schutzmacht Assads?

Es gibt in Syrien eine extrem verfahrene Situation. Insofern bin nicht nur ich, sondern auch viele Diplomaten in der EU der Meinung, dass es notwendig ist, hier einen noch intensiveren Anlauf zu starten, alle Player in Syrien an einen Tisch zu bringen, um eine Lösung für den Konflikt herbeizuführen, um erfolgreich im Kampf gegen den IS-Terror zu sein und um zumindest in gewissen Gebieten in einem ersten Schritt einen Waffenstillstand zustande zu bringen.

Warum haben Sie aber gerade Teheran als Ort für Ihren Vorschlag gewählt?

Weil ich der Meinung bin, dass wir im Westen versuchen sollten zu vermeiden, dass in Syrien ein Stellvertreterkrieg entsteht. Eine langfristige Lösung ist nur möglich, wenn alle beteiligten Regional- und Großmächte versuchen, an einem Strang zu ziehen. Dafür braucht es eine Annäherung zwischen Saudiarabien und dem Iran. Darum halte ich es für richtig, die Fronten ein wenig aufzuweichen und die diversen Player ein Stück weit zusammenzubringen.

Ist Assad für Sie Player oder Partner?

Assad ist definitiv kein Partner, und wir dürfen auch niemals die Verbrechen des Regimes vergessen. Assad ist definitiv kein Teil einer langfristigen Lösung für Syrien. Aber, ja: Assad kontrolliert nach wie vor Teile Syriens; das Assad-Regime kontrolliert nach wie vor die syrische Armee. Wenn wir keine militärische Lösung zustande bringen – und ich sehe derzeit keine Bereitschaft dafür –, braucht es eine Lösung am Verhandlungstisch. Es ist bekannt, dass man nicht nur mit Freunden verhandeln muss, sondern natürlich auch mit dem Gegner. Deshalb braucht es am Verhandlungstisch neben der Zivilgesellschaft und der Opposition auch Vertreter des Regimes.

Das Paradoxe ist ja, dass gerade Assad vom IS profitiert hat, weil die IS-Milizen seine Gegner anfangs bekämpft haben.

Auch andere haben den IS unterstützt, weil sie ihn als potenziellen Gegenspieler zu Assad aufbauen wollten. Trotzdem ist es besser, einen Mitstreiter mehr als einen weniger zu haben.

Im Moment ist ein Masterplan im Schwange, den Wladimir Putin ausgeheckt hat – womöglich in Kooperation mit dem Iran.

Gerade deshalb finde ich es so notwendig, Saudiarabien und den Iran, aber auch die USA und Russland in dieser Frage zusammenzuführen. Wenn das jetzt nicht stattfindet, werden sich die Fronten weiter verhärten. Dann blüht uns in Syrien ein Stellvertreterkrieg der Regionalmächte und Großmächte dieser Welt.

Für wie realistisch halten Sie das Szenario einer politischen Lösung? In Genf ist ein Versuch grandios gescheitert.

Ich halte es für ausgesprochen schwierig. Ich sehe dennoch jetzt ein gewisses Zeitfenster. Denn nach dem Atomabkommen und dem Ende der Isolation ist der Iran von vielen Seiten eingeladen worden, aktiver Partner im Kampf gegen den IS-Terror zu sein.

Wie könnte eine solche Lösung aussehen? Es ist die Rede davon, Syrien in Einflusssphären aufzuteilen. Würde dies nicht zur Spaltung führen?

Ich glaube, der Anti-IS-Kampf kann etwas Einendes für den Iran, Saudiarabien, die USA, Russland und Europa sein. Diese Chance sollten wir ergreifen. Darüber hinaus ist man von einer wirklichen Lösung in Syrien noch weit entfernt. Darum sollte man sich realistische Ziele setzen, das könnten zum Beispiel ein Waffenstillstand und die Schaffung sicherer Regionen sein.

Sie treten für ein verstärktes militärisches Vorgehen gegen den IS ein. Kann sich auch Österreich daran beteiligen?

Ich bin für eine Intensivierung der Luftangriffe. Ich bin froh, dass es auch in europäischen Staaten eine stärkere Bereitschaft dafür gibt. Ich gebe zu, es ist als kleines, neutrales Land mit eingeschränkten militärischen Möglichkeiten sehr schwierig, von anderen mehr Engagement „einzufordern“. Daher habe ich mich bewusst dafür entschieden, auch in Bereichen aktiv zu werden, in denen wir es in der Vergangenheit nicht waren, wie bei der Lieferung von Minensuchgeräten oder der Schutzausrüstung an die Kurden. Nicht im Glauben, dadurch das Problem zu lösen, aber um anderen Staaten mit mehr Möglichkeiten zu zeigen, dass auch wir hier weitergehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2015)

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