Länder-Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik:"Wurden überrumpelt"

München Hauptbahnhof am Samstag
München Hauptbahnhof am SamstagAPA/dpa/Sven Hoppe
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Die Kapazitäten in der bayrischen Hauptstadt sind ausgereizt, alleine am Samstag kamen München 12.000 Flüchtlinge an. Die Kritik an der Kanzlerin wächst.

In der Flüchtlingspolitik gibt es einem Medienbericht zufolge parteiübergreifend Kritik an Kanzlerin Angela Merkel (CDU): Mehrere Landesinnenminister hätten in vertraulichen Telefonkonferenzen bemängelt, dass die Länder von Merkels großzügiger Einreiseerlaubnis für Flüchtlinge ohne jede Abstimmung „überrumpelt“ worden seien, berichtet die „Welt am Sonntag“. Die Ressortchefs warnten vor Chaos bei der Unterbringung der Flüchtlinge und vor Sicherheitsrisiken. „Die Länder sind völlig überrascht worden von der Einreiserlaubnis der Kanzlerin“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Roger Lewentz (SPD): „Wir hätten Zeit für Vorbereitungen gebraucht. Und wir hätten vorher davon wissen müssen.“ Die Länder seien „in großer Not, weil sie bei der Unterbringung von Flüchtlingen am Limit sind".

Ein anderer Landesinnenminister erklärte dem Blatt zufolge: „Die Länder befinden sich in einem Ausnahmezustand, der schnellstens beendet werden muss.“ Die Landesinnenminister hätten zudem in den Telefonkonferenzen mit Vertretern des Bundes gemahnt, dass „Sicherheitsfragen nicht ignoriert werden dürfen". Es bestünde die Gefahr, dass auch Gefährder einreisen und nicht registriert werden könnten.

"Sind an den Grenzen der Kapazität angelangt"

München ist in der Flüchtlingskrise am Limit angelangt: Am Hauptbahnhof in München sind nach Polizeiangaben allein am Samstag 12.200 Flüchtlinge eingetroffen. Seit Mitternacht seien noch einmal 750 Menschen hinzugekommen, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion München am Sonntag. Es sei „ganz klar, dass wir an die äußerste Grenze unserer Kapazitäten gelangt sind".

Vereinzelt mussten Flüchtlinge bereits auf Matten am Boden übernachten, da die Nachtunterkünfte nicht ausreichten. Am Sonntag soll deshalb der Weitertransport zahlreicher Flüchtlinge organisiert werden, „um wieder Platz zu schaffen“, ergänzte der Sprecher. Prognosen für den Tagesverlauf wollte die Polizei keine abgeben, ein rückläufiger Trend sei jedoch nicht zu erwarten, hieß es.

Erstmals regulärer ICE für Flüchtlinge geräumt

Angesichts des Flüchtlingsandrangs hat die Deutsche Bahn erstmals einen regulären ICE zum Weitertransport von Flüchtlingen eingesetzt. Die Passagiere der Verbindung München-Berlin mussten auf andere Züge umbuchen, sagte der Präsident der Regierung von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, am Sonntag in München vor Journalisten. Bisher hatten nur Sonderzüge Flüchtlinge transportiert.

Die Bundeswehr hat derweil ihre Reservistenmeisterschaft abgesagt, um die dadurch freiwerdenden Unterkünfte für Flüchtlinge zur Verfügung stellen zu können. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte, durch die Absage der Veranstaltung im bayerischen Roth würden 1000 Plätze frei, die nun dem Freistaat angeboten würden. Insgesamt habe die Bundeswehr damit bundesweit bereits etwa 20.000 Plätze für Flüchtlinge schaffen können.

Oettinger: Geringere Leistungen für Asylwerbe

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger fordert derweil geringere Leistungen für Asylbewerber in Deutschland. Die Leistungen an diese Menschen müssten so angepasst werden, dass es eine gewisse Annäherung an die in anderen EU-Staaten gebe, sagte der in der EU für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständige CDU-Politiker der „Welt am Sonntag“. "Ein zu starkes Gefälle innerhalb der EU könnte die falschen Anreize setzen und die Aufteilung nach einer festen Quote auf alle EU-Länder ad absurdum führen.“

(APA/AFP/DPA/Reuters)

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