Neue Route: Schon mehr als 5000 Flüchtlinge in Kroatien eingetroffen

Flüchtlinge an der kroatischen Grenze zu Serbien.
Flüchtlinge an der kroatischen Grenze zu Serbien.APA/EPA/DAVOR STOJNEK
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Kroatiens Innenminister warnte, dass das Land Zehntausende Flüchtlinge nicht bewältigen könne. Kanzler Faymann traf sich mit Premier Milanovic.

Nachdem  Ungarn seine Grenze zu Serbien am Mittwoch geschlossen hat, weichen immer mehr Flüchtlinge über Kroatien aus, um sich ihren Weg nach Westeuropa zu bahnen. Die Polizei meldete am Donnerstag die Ankunft von 5650 Menschen. Am Mittwochabend hatte sie noch von rund 1500 Flüchtlingen gesprochen. Tausende Flüchtlinge haben versucht, in der kroatischen Grenzstadt Tovarnik Züge in Richtung der Hauptstadt Zagreb zu besteigen. "Hier sind zwischen 4.000 und 5.000 Menschen", sagte der Sprecher des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), Jan Kapic, am Bahnhof des Ortes an der Grenze zu Serbien.Aus kroatischen Regierungskreisen ist zu hören, dass bis zu Zehntausend Schlafplätze für Flüchtlinge bereitgestellt wurden.

Zwar kämen Züge an, doch könnten diese nicht alle Flüchtlinge mitnehmen. Am frühen Morgen war ein Sonderzug mit 800 Flüchtlingen aus Tovarnik in Dugo Selo bei Zagreb eingetroffen, wo die Menschen in ein Aufnahmezentrum nach Zagreb gebracht wurden. Lokale Medien berichteten, dass die Lage in Tovarnik, wo seit Mittwoch Flüchtlinge aus Serbien ankamen, chaotisch sei. Während die kleinere Flüchtlingsgruppen am Mittwoch im Erstaufnahmezentrum in Tovarnik noch geregelt registrieren konnte, überforderte der starke Zustrom die Polizei am Donnerstag zunehmend. Laut dem kroatischen Fernsehen HRT ist das Lager daher mittlerweile geschlossen.

Faymann trifft Kroatiens Premier Milanovic

Unterdessen warnte der kroatische Innenminister Ranko Ostojic: Die Polizei habe die Grenzen zwar unter Kontrolle. "Wenn aber die Flüchtlinge weiter in großer Zahl aus Serbien kommen, müssen wir über andere Wege nachdenken, mit der Situation umzugehen." Näher äußerte er sich nicht, brachte aber ein größeres EU-Engagement auf einem früheren Abschnitt der Flüchtlingsrouten ins Gespräch. Kroatien hat erklärt, Tausende, aber nicht Zehntausende Flüchtlinge bewältigen zu können.

Am Vormittag traf Bundeskanzler Werner Faymann mit dem kroatischen Ministerpräsidenten Zoran Milanovic zusammen. Der kroatische Premier hat versichert, dass sich sein Land an die Dublin-Regeln halten werde, erfuhr die "Presse". Die beiden Regierungschefs vereinbarten eine enge Zusammenarbeit in der Krise. Genauere Angaben, ob diese Aussagen konkret die sogenannten Flüchtlingskorridore über Kroatien und Slowenien in Richtung Westen betreffen, gab es vorerst nicht. Die Innenminister Kroatiens und Sloweniens hatten am Mittwochnachmittag zunächst erklärt, "wenn nötig" Korridore in Richtung Westen einrichten zu wollen. Noch am Abend dementierte Slowenien ein solches Vorhaben. 

Außerdem hat Bundeskanzler Faymann bei seinem Besuch für einen EU-Rat geworben. Bei dem EU-Sondergipfel sollen Hotspots, eine Verstärkung der Zusammenarbeit mit der Türkei und eine Verbesserung der Finanzierung der Zentren des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) in den Nachbarländern des Bürgerkriegslands Syrien aufs Tapet gebracht werden. Nach dem Treffen mit Milanovic reiste Faymann am heutigen Donnerstag zu einem Treffen mit seinem slowenischen Amtskollegen Miro Cerar nach Ljubljana weiter. 

Krawalle im Grenzgebiet zu Ungarn

Am Mittwochabend hatten an der serbischen Grenze ungarische Sicherheitskräfte 29 Menschen bei Zusammenstößen mit Flüchtlingen verhaftet. Darunter sei auch ein den Behörden bekannter "Terrorist", sagt Gyorgy Bakondi, ein Sicherheitsberater von Ministerpräsident Viktor Orban im staatlichen Fernsehen am Mittwochabend. Der Name des Mannes sei in der Datenbank der Sicherheitsdienste, ergänzte ein Regierungssprecher.

Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic warf dem Nachbarland ein "brutales" und "nicht-europäisches" Vorgehen gegen die Flüchtlinge an der gemeinsamen Grenze vor. Er forderte die Europäische Union auf, darauf zu reagieren. "Sollte die EU keine Antwort geben, werden wir einen Weg finden, unsere Grenzen und auch die europäischen Werte zu beschützen", drohte Vucic.

An der Grenze war es am Mittwoch zu heftigen Zusammenstößen zwischen ungarischen Sicherheitskräften und Flüchtlingen gekommen. Mindestens 22 Menschen wurden verletzt, als Flüchtlinge am Mittwoch versuchten, die Absperrung nahe Röszke zu durchbrechen. Dabei handelte es sich nach ungarischen Angaben um 20 Polizisten und zwei Kinder, die über den Grenzzaun geworfen worden seien.

Ein Großaufgebot ungarischer Polizisten setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen Migranten ein, aus deren Menge Steine auf Sicherheitskräfte geworfen worden. Auf der serbischen Seite der Grenze kamen zusätzliche Polizisten zum Einsatz. Ziel war es, die Flüchtlinge von der Grenze fernzuhalten, um eine weitere Eskalation zu verhindern, erklärte das Innenministerium in Belgrad.

Deutsche Polizei zählt 4600 Flüchtlinge

Auch die Zahl der über Österreich nach Deutschland eingereisten Flüchtlinge ist erneut deutlich gestiegen. Wie die deutsche Bundespolizei am Donnerstag mitteilte, wurden in Bayern am Mittwoch insgesamt rund 9.100 unerlaubt eingereiste Menschen gezählt - fast alle kamen demnach aus Österreich. Am Dienstag hatte die Zahl der Flüchtlinge bei rund 6.000 gelegen.

Unter den 9.100 Flüchtlingen befanden sich demnach knapp 2.000 Menschen, die in Zügen die Grenze nach Bayern überquerten. Die anderen wurden an Autobahn-Kontrollstellen gezählt oder waren zu Fuß unterwegs. Das Bundespolizeipräsidium Potsdam bezifferte die Zahl der am Mittwoch unerlaubt Eingereisten auf 7.266. In dieser Zahl sind den Angaben zufolge allerdings nicht die in Zügen eingereisten Menschen enthalten.

Anmerkung der Redaktion

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(APA/Reuters/dpa)

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