"Seit 2012 haben nur Glücksritter das Land regiert"

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"Erst nach Staatsreform kann man uns wieder Geld borgen", meint der Modernisierer Thanos Tzimeros.

Die Presse: Ihre Partei, Recreate Greece, die für eine Neuschöpfung und eine Modernisierung des Landes eintritt, hat bei den Parlamentswahlen im Mai 2012 mit 2,2 Prozent einen Überraschungserfolg errungen. Jetzt treten Sie wieder an. Was ist in den vergangenen drei Jahren geschehen?

Thanos Tzimeros: Mit unserem Eintreten für einen proeuropäischen, radikal modernisierten Staat und gegen das griechische Klientelwesen konnten wir damals vor allem urbane Wähler anziehen. Das politische System hat seither zurückgeschlagen. Zunächst wollten uns die großen Parteien vereinnahmen, aber wir wollten nicht bloß Ministerposten etwa in einer konservativen Regierung, wir wollten unsere Reformagenda durchsetzen. Da gab es dann eine Schmutzkübelkampagne in den Medien, man verunglimpfte mich als Rechtsradikalen und so weiter.


Was hat sich geändert?

Seit 2012 haben nur Glücksritter das Land regiert. Die Vorgaben der europäischen Union werden pro forma abgesegnet, eine wirkliche Reform des Parteienstaats ist aber ausgeblieben. Selbst wenn man Griechenland morgen die Schulden erließe, wäre ein paar Jahre später alles wieder beim Alten. Das Hauptproblem des Landes ist nicht die Staatsschuld, das Problem sind die verfilzten Strukturen in Staat und Wirtschaft. Diese Strukturen eines politischen Klientelsystems haben sich nicht geändert, im Gegenteil.

Sie wollen Pensionen kürzen und Staatsbeamte entlassen. Das ist nicht sehr populär in Ihrem Land.

Jahrzehntelang hat der Staat unverhältnismäßig stark bei den Pensionen zugeschossen. Die Pensionisten erhalten verhältnismäßig weit mehr, als sie an Beiträgen einzahlen. Immer noch gibt es Pensionen mit 4500 Euro im Monat. Wir wollen die Ungerechtigkeiten beseitigen. Unser Vorschlag: Sämtliche Griechen erhalten Pensionen zwischen 750 und 2000 Euro. Dadurch könnte man sich 6,5 Milliarden Euro sparen. Wir leben in einer Krisenzeit. Wer mehr hat, muss beitragen, ohne deshalb am Bettelstab zu gehen.

Sollen Staatsbeamte entlassen werden?

Die weit über eine Million Arbeitslose sind alle aus dem Privatsektor. Um sie kümmert sich niemand. Warum regen sich die Leute auf, wenn man durch den Staat verursachte Überkapazitäten an unausgebildeten Parteibeamten abbauen will? Das glaubt auch die Partei To Potami. Jetzt im Wahlkampf höre ich das aber nicht mehr. Sie haben Zugeständnisse gemacht. Der Staat muss kleiner werden, die Wirtschaft zum Atmen kommen.

Wie lautet denn Ihr Rezept für eine Reform der griechischen Wirtschaft?

Die Modernisierung und Digitalisierung muss durchgezogen werden, um Investoren anzulocken. Ein undurchsichtiges Ausschreibungswesen und die Zettelwirtschaft kostet den Staat Unsummen und bewahrt den Klientelstaat. Die elektronische Unterschrift zum Beispiel gibt es immer noch nicht. Wir fragen: Warum nicht? Weil man keine Transparenz will. Welcher Investor kommt schon nach Griechenland, wenn er Jahre braucht, um seinen Laden aufzusperren, und wenn er im Vorhinein nicht weiß, wie viel Steuer er wird zahlen müssen? Weiters treten wir für eine Flat Tax für Personen und Firmen in Höhe von zwölf Prozent ein. Die Mehrwertsteuer soll für alle 15 Prozent betragen. Das Steuersystem muss einfacher werden. Ich komme aus der Wirtschaft, ich weiß, was die Wirtschaft braucht.

Flat Tax, Modernisierung, Abbau des Staats, Trennung von Kirche und Staat, proeuropäisch: Sie vertreten eigentlich eine klassische liberale Partei. Warum fehlt das in Ihrem Parteinamen?

In Griechenland wird der Liberalismus mit einem diffusen Neoliberalismus gleichgesetzt. Das Wort ist zum Schimpfwort geworden, man kann es kaum mehr aussprechen. Doch das Programm ist in Griechenland wichtig wie eh und je. Nach den Wahlen werden die alten Probleme des griechischen Parteiensystems wieder aufbrechen. Ich bin dagegen, dass die Europäer den Griechen Darlehen gewähren. Zuerst muss der Staat reformiert werden, dann kann man uns wieder Geld borgen. Umgekehrt geht es nicht, das haben die vergangenen Jahre gezeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2015)

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