Flüchtlinge strömen trotz Grenzschließung nach Kroatien - Ungarn baut Zaun

Tovarnik, Kroatien
Tovarnik, KroatienReuters (Antonio Bronic)
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Kroatien hat die Straßen zu sieben Grenzübergängen nach Serbien gesperrt, zahlreiche Flüchtlinge weichen über die grüne Grenze aus. Ungarn begann mit dem Bau des angekündigten Zaunes zu Kroatien.

Kroatien hat wegen des massiven Zustroms der Flüchtlinge seine Grenze zu Serbien dicht gemacht - trotzdem konnten die Behörden viele Menschen nicht aufhalten. Nachdem in der Nacht auf Freitag sieben Grenzübergänge bis auf Weiteres geschlossen worden waren, strömten zahlreiche Flüchtlinge nahe der serbischen Grenzstadt Sid über Felder nach Kroatien. In der Nacht kamen mindestens 30 Busse mit Flüchtlingen an der Grenze an, berichtete der staatliche TV-Sender RTS in Belgrad. Ungarn begann indes auch an der Grenze zu Kroatien mit dem Bau eines Zaunes. 

Seit Mittwoch waren 13.000 Flüchtlinge von Serbien nach Kroatien gekommen. Daraufhin hatte das Innenministerium in Zagreb die Grenze entgegen vorheriger Ankündigungen zugemacht. Die Schließung betrifft sieben von acht Straßenübergängen, und zwar Tovarnik, Ilok, Ilok 2, Principovac, Principovac 2, Erdut und Batina. Der Grenzübergang Bajakovo an der Autobahn Zagreb-Belgrad steht nicht auf der Liste. Belgrad kündigte an, deshalb vor ein internationales Gericht zu ziehen.

Ungarn schickt Soldaten an die Grenze

Ungarns Premier Viktor Orban sagte, nach der Fertigstellung des Stacheldrahtzauns an der Grenze zu Kroatien habe Budapest damit begonnen, auch an der Grenze zu Kroatien eine Absperrung zu errichten. "Letzte Nacht wurde mit dem Bau des Zauns an der kroatischen Grenze begonnen", sagte Orban im ungarischen Radio. "600 Soldaten wurden zu dem 41 Kilometer langen Abschnitt beordert, weitere 1000 werden bis zum Wochenende eintreffen." Die Grenze des Landes zu Kroatien hat insgesamt eine Länge von 355 Kilometern.

Slowenien ließ unterdessen 150 Flüchtlinge, die am Donnerstagabend mit einem Zug aus Zagreb am Grenzübergang Dobova angekommen waren, nicht ins Land. Polizeisprecher Anton Stubljar kündigte an, die Flüchtlinge "in kürzestmöglicher Zeit wieder nach Kroatien zurückzuschicken". Zagreb lehnte es aber ab, die Menschen zurückzunehmen. Daraufhin wurden sie noch in der Nacht mit einem Sonderzug ins westslowenische Aufnahmelager Postojna gebracht. Insgesamt waren rund 200 Flüchtlinge im Zug. Einer kleineren Gruppe erlaubte die slowenische Polizei offenbar die Einreise. 

Zugverkehr über Dobova gestoppt

Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic sagte, dass die in Kroatien gestrandeten Flüchtlinge in Richtung der Schengen-Staaten Ungarn und Slowenien weitergeschickt werden sollen.

Der slowenische Ministerpräsident Miro Cerar kritisierte das Verhalten des Nachbarlandes indes als "inkorrekt". So habe es niemals eine Vereinbarung zwischen Zagreb und Ljubljana gegeben, einen Korridor für Flüchtlinge in Richtung Österreich einzurichten. Cerar hatte am Donnerstag dem eigens aus Wien angereisten Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) versichert, dass Slowenien seiner Verantwortung als Hüter der Schengen-Außengrenze gerecht werde.

Die slowenische Bahn hat in Absprache mit der slowenischen und kroatischen Polizei unterdessen den Zugverkehr über den Grenzübergang Dobova gestoppt, berichtete die Nachrichtenagentur STA. Am Donnerstagabend hätte hier ein weiterer internationaler Zug von Belgrad nach München fahren sollen, musste aber auf kroatischer Seite stehen bleiben, hieß es von der Bahn. Die Sperre bleibt bis Freitag früh aufrecht. In Dobova kommen täglich sieben internationale Züge aus Zagreb an. Über den Grenzbahnhof verläuft die einzige internationale Zugverbindung zwischen Serbien und Deutschland.

Ungarn weitet Notstand aus

Ungarn weitete derweil den sogenannten Masseneinwanderungs-Krisenfall auf die südwestungarischen Komitate Baranya und Somogy aus, die an der Grenze zu Kroatien liegen. Das gab der ungarische Außenminister Peter Szijjarto am Donnerstagabend in Budapest bekannt.

Nach Angaben des regionalen Internetportals "bama.hu" waren am selben Tag rund 200 Flüchtlinge aus Kroatien nach Ungarn gekommen. "Kroatien ist für den Beitritt zur Schengen-Zone ungeeignet", attackierte Szijjarto das EU-Nachbarland.

Ungarn hatte am Dienstag den Flüchtlingskrisenfall für die weiter östlich liegenden südlichen Komitate Bacs-Kiskun und Csongrad ausgerufen und die Grenze zu Serbien für Flüchtlinge abgeriegelt. Seitdem versuchen Tausende Migranten, über Kroatien in den Westen zu gelangen. Die meisten von ihnen visieren eine Route an, die über Slowenien nach Österreich führt.

Der Krisenfall ermächtigt die Behörden zu besonderen Maßnahmen gegen Flüchtlinge. So sind dann reguläre Asylverfahren nicht mehr nötig, weil Ungarn seine südlichen Nachbarn als "sichere Drittländer" eingestuft hat.

3700 unerlaubte Einreisen nach Bayern

Die deutsche Bundespolizei hat an der deutsch-österreichischen Grenze am Donnerstag rund 3700 Flüchtlinge gestoppt. Das waren rund 1000 Menschen weniger als am Mittwoch, jedoch etwas mehr als am Dienstag. Zudem wurden acht Schlepper festgenommen, wie ein Sprecher der Bundespolizei Rosenheim in der Nacht zum Freitag mitteilte.

Schwerpunkt war auch am Donnerstag die Saalachbrücke zwischen Salzburg und dem bayrischen Grenzort Freilassing (Landkreis Berchtesgadener Land). Auch die Bahnsteige in Freilassing seien teils voller Flüchtlinge gewesen, sagte der Sprecher. Nach der Registrierung in Sammelstellen der Region werden die Flüchtlinge auf ganz Deutschland verteilt.

(APA)

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