Türkei: "Assad kann kein Teil einer Lösung sein"

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Österreichs Außenminister Kurz fand für seine Idee, Syriens Herrscher in eine Lösung für den Krieg einzubinden, auf Visite in Ankara keine Freunde. Außenminister Sinirlioğlu wies den Plan ab.

Manchmal sind es weniger als fünf Minuten, die Welten trennen. So lange dauert es, bis sich die Wagenkolonne vom Fuß der Hügel, wo Luxusvillen entstehen, hinaufgequält hat in die Siedlung Siteler in Ankara, wo sich alles um Krieg dreht. Die alten Steinhäuser zwischen Felsen und Sträuchern hätten abgerissen werden sollen. Jetzt leben dort Flüchtlinge aus Syrien.

Haus Nummer 34, umgeben von einer Mauer, im Vorgarten Holztisch und Sessel, ist am Samstag die erste Anlaufstelle von Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, bei seinem Besuch in der türkischen Hauptstadt. Die Frau, die ihm auf dem orangen Sofa gegenübersitzt, heißt Rasa Kahe, ist 30 und mit ihrem Mann und zwei Kindern vor zwei Jahren aus Damaskus geflohen. Sie hatten Glück: Das Haus ist in Ordnung, die Miete mit etwa 40 Euro leistbar. Ihr Mann, ein Anwalt, fand Arbeit als Handwerker, er baut Fenster ein. Sie, eine Lehrerin, bleibt zu Hause.

Sie seien gut aufgenommen worden, sagt sie. Ist Weiterreise nach Europa eine Option? Wenn es eine Chance gäbe, dort einen besseren Job zu finden – vielleicht ja, sagt sie. „Aber das ist nur ein Gedanke.“ Den Gedanken haben viel zu viele Flüchtlinge aus europäischer Sicht zuletzt in die Tat umgesetzt. Die meisten kamen über die Balkanroute mit Startpunkt Türkei, allein im August 90.000. Deshalb kam Kurz angereist, seine Kollegen Frank-Walter Steinmeier aus Deutschland und Jean Asselborn aus Luxemburg waren schon am Freitag da, andere EU-Außenminister werden noch kommen, auch Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn, wie es aus Brüsseler Kreisen heißt.

Ein Stopp dem Sturm auf Europa.Die Botschaft der EU-Vertreter ist immer dieselbe, wenn auch diplomatischer formuliert: „Stoppt den Ansturm auf Europa!“ Vor allem der Eindruck, die Türkei lasse Schlepper gewähren, die Menschen nach Griechenland bringen, hatte auch in Wien für Ärger gesorgt. Nach einem Gespräch mit Premier Ahmet Davutoğlu befand Kurz, dass die Türkei durchaus etwas dagegen tue. Jedenfalls plädiert Kurz für einen „ganzheitlichen Ansatz“ in den Herkunftsländern und der Region: mehr humanitäre Hilfe vor Ort und Schutzzonen an der syrisch-türkischen Grenze, dazu „noch engere Kooperation gegen Schlepper“.

Ankara fühlt sich mit dem Problem alleingelassen. Mittlerweile zählt die Türkei über zwei Millionen registrierte Flüchtlinge, die Dunkelziffer liegt höher. Nur etwa 200.000 leben in Camps nahe der Grenze. 7,6 Milliarden Dollar habe man für die Versorgung der Flüchtlinge ausgegeben, betont Außenminister Feridun Hadi Sinirlioğlu bei der Pressekonferenz mit Kurz. 400 Millionen Dollar hat die Staatengemeinschaft der Türkei zugeschossen, die Hälfte davon die EU. In der Union weiß man, dass man mehr zahlen muss, sollen nicht noch mehr von der Türkei nach Europa aufbrechen. Deshalb hat Kommissar Hahn vor Tagen eine Milliarde Euro Hilfsgeld angekündigt. Jetzt wird verhandelt. Ankara weiß, dass es am längeren Hebel sitzt. Die Türkei, sagt Sinirlioğlu mit Blick auf die Schlepper, werde alles tun, damit Menschen nicht Opfer von Schleppern würden. Aber: „Die Menschen sind derart hoffnungslos, dass sie ihr Leben und das ihrer Kinder aufs Spiel setzen. Das völlig zu verhindern wird nicht einfach sein.“ Also müsse man die Ursachen des Problems beseitigen: den Syrien-Krieg.

Darin ist sich Ankara mit der EU einig, auch mit Russland und dem Iran, die dem Regime Bashar al-Assads helfen. Moskaus Unterstützung für Assad, auch militärisch, und die daraus folgenden Spannungen mit den USA und Saudiarabien sieht Europa mit Sorge. Gleichzeitig hofft man, das Moment des Deals um Irans Atomprogramm zu nutzen, um in Syrien etwas zu erreichen. Deshalb plädierte Kurz dafür, Assad zumindest kurzfristig in Verhandlungen einzubinden. Deutschland, Spanien und andere sehen es ähnlich.

„Ein grausamer Diktator“.In diesem Punkt stößt Kurz in Ankara auf taube Ohren. Assad, so Sinirlioğlu, sei die Hauptursache des Kriegs. Er habe den Konflikt gegen sein Volk angezettelt. Deshalb erteilt er allen Versuchen, Assad einzubinden, eine deutliche Absage. „Er ist ein grausamer Diktator. Ein grausamer Diktator kann kein Teil einer Lösung sein, in keinster Weise.“

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2015)

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