Russland schafft immer mehr Soldaten und Kriegsgerät nach Syrien. Damit verstärkt Moskau die Hilfe für den alten Verbündeten Assad. Und Russlands Präsident will signalisieren: Ohne Moskau gibt es keine Lösung für Syrien.
Es scheint, als würde der Weg nach Syrien derzeit über Moskau führen. Heute, Mittwoch wird der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, in der russischen Hauptstadt erwartet. Erdoğan und der russische Präsident, Wladimir Putin, haben heikle Themen zu besprechen: Denn die türkische Regierung ist besorgt darüber, dass Russland seine militärische Präsenz in Syrien ausbaut, und damit Erdoğans Feind, den syrischen Machthaber, Bashar al-Assad, unterstützt. Am Montag war bereits Israels Premier, Benjamin Netanjahu, in Sachen Syrien bei Putin. Dabei wurde unter anderem ein Mechanismus zur Koordinierung der Militäraktionen beider Länder vereinbart – um „Missverständnisse“ zu verhindern. Israels Luftwaffe flog zuletzt nämlich immer wieder Angriffe auf syrischem Gebiet – vor allem gegen die mit Assad verbündete libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah.
Nur einen Tag nach Netanjahus Besuch war auch ein Vertreter des Regimes, das Israel regelmäßig die Vernichtung prophezeit, in Moskau: Irans Vizeaußenminister Hossein Amir-Abdollahian besprach mit Russlands Regierung, wie eine gemeinsame Antiterror-Front in Syrien aussehen könnte.
Militärflüge über den Iran
Russland und der Iran haben in Syrien schon bisher zusammengearbeitet, um das Regime zu unterstützen. Die „Terroristen“, die dabei bekämpft wurden, waren nicht nur extremistische Gruppierungen. Die Maßnahmen richteten sich gegen jede Form von bewaffneter Opposition zu Machthaber Assad.
Zuletzt haben Moskau und Teheran aber ihre Kooperation weiter vertieft. Weil einige osteuropäische Länder den Überflug russischer Transportmaschinen nach Syrien verweigert haben, wird das russische Militärgerät nun über den Iran und den Irak transportiert. Russland hat in den vergangenen Wochen neues Material an Assad geliefert und Eliteeinheiten sowie eigene Kampfflugzeuge auf syrische Basen verlegt. Für Russlands intensiviertes Engagement in Syrien gibt es mehrere Gründe. Unter anderem:
• Militärstrategische Gründe. Das syrische Regime ist ein langjähriger wichtiger Verbündeter Russlands in der Region. In Syrien nutzt Moskau etwa eine Marinebasis, die russischen Schiffen ein Operieren im Mittelmeer ermöglicht. Ein Sturz des Assad-Regimes durch die Aufständischen scheint derzeit wenig wahrscheinlich. Zugleich ist aber auch klar, dass das Regime über weite Teile des Landes keine Kontrolle mehr zurückerlangen wird. Es wird versuchen, die Hauptstadt Damaskus und große Teile der Küstenregion zu halten – dort, wo auch Russlands Basis liegt.
• Diplomatischer Machtzuwachs. Russland will nicht nur im Nahen Osten an Statur gewinnen, sondern die Rolle auf dem gesamten internationalen Parkett festigen. Die Syrien-Krise ist dafür eine gute Möglichkeit. Wegen der wachsenden Zahl der Flüchtlinge, die nach Europa kommen, steht der vergessene Krieg in Syrien nun in den EU-Staaten wieder ganz oben auf der Liste zu lösender Probleme. Und Putin signalisiert, dass dabei kein Weg an ihm vorbeiführt. Russland nutzt das Vakuum, das die USA hinterlassen haben: Washington hat sich zuletzt gehütet, zu sehr in den syrischen Bürgerkrieg involviert zu werden. Nach dem Irak-Einsatz denkt die Obama-Regierung nicht an ein erneutes massives Militärengagement in der Region.
Und ebenso für Putin birgt seine Politik Gefahren in sich: Sollte Moskau tatsächlich in Zukunft auch mit Bodentruppen an Assads Seite eingreifen, könnte es in einen Kleinkrieg hineingezogen werden, aus dem es so schnell nicht mehr herausfindet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2015)