Mails an Botschaft stützen Orbán-Kurs

UNGARISCHER MINISTERPRAeSIDENT ORBAN IN OeSTERREICH
UNGARISCHER MINISTERPRAeSIDENT ORBAN IN OeSTERREICHAPA/GEORG HOCHMUTH
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Mehr als 600 Nachrichten schrieben Österreicher an die Botschaft in Wien zur Flüchtlingskrise. Zwei Drittel stellten sich dabei hinter die Regierung in Budapest.

Wien. Vom nahen Ballhausplatz hatte Ungarns Botschaft in der Wiener Bankgasse zuletzt kaum Freundlichkeiten an ihre Regierung zu melden. Die sogenannte Flüchtlingswelle wird aber, um im Bild zu bleiben, von einer Flut an E-Mails an die ungarische Botschaft begleitet. Der Inhalt der Nachrichten weicht dabei mehrheitlich vom offiziellen Kurs der rot-schwarzen Regierung ab. Es waren zu zwei Dritteln Unterstützungserklärungen.

Konkret hat die Botschaft nach eigenen Angaben neben Dutzenden Anrufen und Briefen von Anfang bis zum 29. September exakt 614 E-Mail-Nachrichten von Österreichern zur Causa prima erhalten. Als „einfache Leute“ stellten sich einige darin vor. Sie animieren Budapest, „die bisherige Standhaftigkeit“ aufrechtzuerhalten. Manche würden sich bedanken, dass Ungarn „Europa schützt“. Ein Drittel der Mails enthalte Kritik. „Nehmen Sie Ihre Verantwortung bitte endlich wahr!“, sei dann etwa zu lesen. Mitunter würde Ungarn an seine eigene Vergangenheit erinnert, an 1956, als viele Landsleute zur Flucht gezwungen waren. „Wir beantworten auch alle Mails, die keine Schimpfwörter enthalten“, heißt es in der Botschaft.

„Menschen werden ängstlich“

Die meisten Mails kamen bis zum 15. September, als Ungarn weltweit Schlagzeilen machte – mit dem Chaos auf dem Budapester Ostbahnhof, dem Bau des Grenzzauns zu Serbien, der Kriminalisierung illegaler Grenzgänger und mit einem Zug, den in die Irre geleitete Flüchtlinge im Glauben bestiegen, nach Westen gebracht zu werden. Werner Faymann erinnerte das an die „dunkelste Zeit“ Europas. Wegen dieses NS-Vergleichs des Kanzlers hätten sich viele gemeldet, heißt es in der Botschaft – „und ausnahmslos positiv gegenüber Ungarn“.

Er sei seit 1990 im diplomatischen Dienst. „Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt", sagt Botschafter János Perényi über die zahlreichen Mails. Ob es einen Graben zwischen der offiziellen Politik Österreichs und der Öffentlichkeit gibt? „Ich stelle das fest“, sagt Botschafter János Perényi mit Blick auf die E-Mails. Das Phänomen beschränke sich auch nicht auf Österreich: „Ich beobachte das auch in Frankreich und zunehmend in Deutschland. Die Menschen werden ängstlich. Sie sind sich eines großen Problems bewusst geworden.“ Auch aus der Botschaft in London gab es Berichte über hunderte Mails und Anrufe. „Die Zusprüche stärken unser Bewusstsein, dass unsere Politik richtig ist. Auch wenn ein Zaun nicht sympathisch ist. Es gab in dieser Extremsituation keine andere Lösung“, sagt der Botschafter.

Der nächste Zaun, an der Grenze zu Kroatien, soll nächste Woche fertiggestellt sein. Denn Zagreb „hat einen Korridor eröffnet. Es wird durchgewinkt. Das ist ein bisschen so, wie Österreich das mit Blick auf Deutschland macht“, sagt Perényi. Auch das Verhältnis zur Alpenrepublik ist beschädigt, wie Orbán in der Vorwoche in Wien erklärte. Der Besuch des Ministerpräsidenten „ist sehr nützlich gewesen. Ich habe von österreichischen Politikern positive Rückmeldungen bekommen“, sagt nun der Botschafter. „Unsere beiden Länder müssen kooperieren. Wir sitzen doch alle im selben Boot.“ Und dieses Boot ist voll, meint die ungarische Regierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

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