Merkel - und ihre Widersacher

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Innerhalb der Union nimmt der Druck auf die Kanzlerin von Tag zu Tag zu. Nun überlässt sie die Betreuung der Flüchtlingsagenden einem engen Vertrauten.

Berlin. Flüchtlinge mit Zügen nach Deutschland zu bringen, wurde Angela Merkel noch vor einigen Wochen als großzügige Geste ausgelegt. Mittlerweile vergeht kaum noch ein Tag, an dem die Bundeskanzlerin vor Verbalangriffen – besonders aus den eigenen Reihen – gefeit ist.

In einem Brief an ihre Chefin plädieren nun 34 Funktionäre aus der CDU dafür, klare Maßnahmen zu setzen, um des Flüchtlingsandrangs Herr zu werden. Man erlebe einen „ungesteuerten Zustrom“, auch entspreche die „gegenwärtig praktizierte Politik der offenen Grenzen“ weder dem europäischen noch dem deutschen Recht, wie es heißt. Zwar sprechen sich die Unterzeichner dafür aus, Flüchtlingen zu helfen. Allerdings seien die Aufnahmekapazitäten nicht nur „bis an die Grenzen“ gespannt, sondern mancherorts bereits erschöpft. Weil die Unionspolitiker nicht nur murren wollen, haben sie der Kanzlerin gleich ein paar Vorschläge mit auf den Weg geschickt. Als sinnvoll erachtet wird etwa die Abweisung von Flüchtlingen aus sicheren Drittstaaten an der Grenze, ebenso wie die zeitnahe Abschiebung abgelehnter Asylwerber.

Seehofer droht mit „Notwehr“

Auch Bayerns CSU-Ministerpräsident, Horst Seehofer, machte seinem Unmut zum wiederholten Mal Luft. Er drohte mit einer „wirksamen Notwehr“ des Freistaates, wenn sich die Regierung in Berlin weigern sollte, den Zustrom zu begrenzen. Dann nämlich müsse der Freistaat überlegen, was er mache. Noch vor wenigen Tagen hatte Seehofer allerdings klargestellt, dass es mit ihm keine Schutzzäune an der deutschen Grenze geben werde.

Bundeskanzlerin Merkel hat sich unterdessen dafür entschieden, die Koordination der Flüchtlingsfrage in ihren unmittelbaren Einflussbereich zu ziehen. Kanzleramtschef Peter Altmaier wird zum Koordinator der Regierung in Sachen Flüchtlingspolitik. Er übernimmt die „politische Gesamtkoordinierung“, zudem soll ein eigener Stab geschaffen werden. Die Übertragung der Agenden auf Altmaier könnte auch der Unzufriedenheit mit Innenminister Thomas de Maizière geschuldet sein. Zuletzt hat sich der Minister immer wieder kritisch über Flüchtlinge in der Öffentlichkeit geäußert. Offiziell heißt es freilich, dass dem Innenministerium weiterhin die operative Koordinierung der Flüchtlingskrise unterliege. Der Minister werde durch die Umstrukturierungen der Bundeskanzlerin nicht geschwächt, sondern entlastet. (ag./nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2015)

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