US-Präsidentenwahl 2016: „Das Volk hat genug von Ihren E-Mails“

Hillary Clinton und ihr Konkurrent Bernie Sanders.
Hillary Clinton und ihr Konkurrent Bernie Sanders.(c) Reuters (Lucy Nicholson)
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Wenn Hillary Clinton neue Skandale vermeidet, ist ihr die Nominierung zur Präsidentenwahl 2016 sicher.

Washington. Vor der ersten Fernsehdebatte der derzeit fünf demokratischen Kandidaten für die Nominierung zur Präsidentenwahl 2016 war der Tenor des politischen Kommentariats eindeutig: Hillary Clinton mag in den Umfragen noch führen, aber sie sei abgehoben, ohne Energie und langweilig. Wie schon vor acht Jahren ruhe sie sich auf ihren hohen Bekanntheitswerten und ihrem enormen Geschick im Füllen der Wahlkampfkassen aus und übersehe einen parteiinternen Herausforderer, der sie links außen überholt.

Doch Bernie Sanders, der sozialistische Senator aus Vermont, ist kein Barack Obama, 2015 ist nicht 2007, und nach zweieinhalb Stunden einer bemerkenswert fair und sachorientiert geführten Debatte in einem Casinohotel in Las Vegas müssen die Nachrufe auf Clintons politische Präsidentschaftsambitionen fürs Erste verschoben werden. Die 67-jährige frühere Senatorin von New York, Außenministerin und Gattin des Altpräsidenten Bill Clinton trat selbstsicher und schlagfertig vor die Kameras des Nachrichtensenders CNN, der diese erste von sechs öffentlichen Konfrontationen der demokratischen Anwärter zeigte. Vor allem aber verzichteten die vier Herren, welche in der Nacht auf Mittwoch die Bühne mit ihr teilten, auf Angriffe auf ihre Schwachpunkte. Als Clintons Verwendung eines privaten E-Mailservers für die amtliche Korrespondenz als Außenministerin in den Jahren 2009 bis 2013 zur Sprache kam, nahm Sanders sie in Schutz: „Das amerikanische Volk ist es leid, von Ihren verdammten E-Mails zu hören. Die Mittelschicht dieses Landes bricht zusammen. Das amerikanische Volk will wissen, ob wir eine Demokratie oder eine Oligarchie haben. Genug von Ihren E-Mails!“

Die Republikaner im Abgeordnetenhaus des US-Kongresses sehen das anders. Sie haben Clinton für den kommenden Donnerstag zu einer öffentlichen Einvernahme in jenem Untersuchungsausschuss geladen, der sich mit der Frage befasst, wie es im September 2012 zum tödlichen Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi kommen konnte, bei dem vier Amerikaner, darunter der damalige Botschafter, starben. Damals war Clinton Außenministerin, sie hat ihre Verantwortung bereits mehrfach betont und Reformen in der Sicherung von Botschaftsgebäuden veranlasst.

Waffenklub und Weindegustationen

Allerdings haben die Republikaner diesen Ausschuss entgegen seiner ursprünglichen Bestimmung zu einem Vehikel parteipolitischer Angriffe auf Clinton gewendet. Diesen zweifelhaften Umgang mit Steuergeld (der Ausschuss hat bereits mehr als 4,6 Millionen Dollar gekostet, das sind umgerechnet mehr als vier Millionen Euro) haben sie erstaunlicherweise selbst frank und frei zugegeben. Einer ihrer Anführer, der kalifornische Abgeordnete Kevin McCarthy, hatte in einem Interview stolz erklärt, mithilfe des Ausschusses habe er die Umfragewerte Clintons erfolgreich beschädigen können. Es trägt zudem nicht zu ihrem Image redlicher, sparsamer Außenseiter des Washingtoner Politiksumpfs bei, dass bekannt wurde, dass die Ausschussmitglieder die meiste Zeit mit Internetsurfen, der Veranstaltung von Weinverkostungen und dem Dekorieren von Glock-Pistolen verbringen.

Nur minimale Chancen für Biden

Solle Vizepräsident Joe Biden sein Zögern beenden und seinen Hut in den Ring des Vorwahlkampfs werfen, wird es für ihn nun sehr schwer. Umfragen zeigen, dass er fast nur bei Clinton Wähler abholen könnte. Doch Clintons starker Auftritt bei der Debatte lässt die Aussicht, enttäuschte Anhänger von ihr abzuwerben, illusorisch erscheinen. Von den anderen Kandidaten kommt ihr nur Sanders ansatzweise nahe, doch ihn hat sie bei der Debatte an seinem schwächsten Punkt erwischt, nämlich seiner Ablehnung von strengeren Haftungspflichten für Waffenhersteller (was wenig verwundert, gibt es in Sanders Heimatstaat Vermont doch viele Jäger und Sportschützen). Die anderen drei Kandidaten (die früheren Senatoren Jim Webb und Lincoln Chafee sowie der frühere Gouverneur von Maryland, Martin O'Malley) sind so gut wie chancenlos, was sich an einer Zahl verdeutlicht hat: Clinton hatte so viel Redezeit wie Webb und O'Malley gemeinsam.

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