Syrien: Diplomatie gewinnt an Fahrt

VIENNA AUSTRIA OCTOBER 23 2015 Turkey s minister of foreign affairs Feridun Sinirlioglu US secr
VIENNA AUSTRIA OCTOBER 23 2015 Turkey s minister of foreign affairs Feridun Sinirlioglu US secr(c) imago/ITAR-TASS (imago stock&people)
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Im Hotel Imperial in Wien formierte sich eine Konsultationsgruppe, die den Krieg beenden soll. Inhaltlich kamen sich die USA, Russland, Saudiarabien und die Türkei kaum näher, doch man verhandelt weiter.

Große Fortschritte hatte niemand beim Syrien-Gipfel im Wiener Hotel Imperial erwartet. John Kerry, Initiator der Konferenz, wollte vor allem eines: reden. Dazu hatte der US-Außenminister ausgiebig Gelegenheit. Sie waren seinem Ruf gefolgt: die Chefdiplomaten Russlands (Sergej Lawrow), Saudiarabiens (Adel al-Jubeir), der Türkei (Feridun Sinirlioğlu). Inhaltlich näherten sich die vier nicht an. Es gebe keinen Konsens über das Schicksal Bashar al-Assads, sagte danach der Saudi, der auf den Sturz des syrischen Machthabers drängte.

Doch die zwei Super- und die zwei Regionalmächte einigten sich, eine Syrien-Konsultationsgruppe zu bilden. Dies ist das wichtigste Ergebnis des Treffens: Es existiert nun ein Format für Verhandlungen. Kerry meinte, es seien Ideen vorgebracht worden, die die Dynamik in Syrien verändern könnten. Zudem kündigte er schon für nächsten Freitag, 30. Oktober, nicht nur ein weiteres Treffen der Syrien-Gruppe an, sondern deutete an, dass diese vergrößert werde. Details dazu ließ er aus, es war hinter den Kulissen aber die Rede etwa von den Vereinigten Arabischen Emiraten – und dem Iran. Dessen Teilnahme sei nur „Frage der Politik“. Lawrow hatte auf eine Einbindung von Moskaus Alliierten in Teheran, die auch Kriegspartei in Syrien und dem Irak sind, gedrängt.

Ob Wien erneut Schauplatz des Gipfels wird, war unklar. Am Freitag war auch die Hohe Repräsentantin der EU, Federica Mogherini, dorthin geeilt zu einer Sitzung des Nahost-Quartetts; UN-Generalsekretär Ban Ki-moon war aus New York per Videolink zugeschaltet. Jordaniens Außenminister Nasser Judeh hingegen war leibhaftig in Wien. Lawrow fixierte mit ihm in Wien die Eröffnung einer russischen Verbindungsstelle in Amman, die die Luftangriffe in Syrien koordinieren solle. Sebastian Kurz, Österreichs Außenminister, nützte die Chance derweil für Einzelgespräche mit seinen Gästen.

Washington hat bisher offiziell darauf gepocht, dass Syriens Diktator, Bashar al-Assad, die Macht abgeben muss, und unterstützt einige der syrischen Rebellengruppen. Mit Nachdruck wurde ein Sturz Assads aber nie betrieben, auch aus Furcht davor, nicht zu wissen, was dann kommen würde. Die jüngste Diskussion innerhalb der US-Führung darüber, ob und in welcher Form Schutzzonen in Syrien eingerichtet werden sollen, zeugt von der fehlenden großen Strategie. Aktiv gehen die USA in Syrien nur gegen die Extremisten des Islamischen Staats (IS) vor. Sie unterstützen dabei mit Luftschlägen die kurdischen Volksverteidungseinheiten.

Im Gegensatz zu den USA hat Russland in Syrien eine weitaus klarere Strategie: Es will seinen Verbündeten Assad so lang wie möglich an der Macht halten. Nur ein kleiner Teil der russischen Luftangriffe in Syrien galt bisher dem IS. Der Großteil der Attacken traf andere Rebellengruppen, die Assads Sturz wollen, aber auch gegen den IS kämpfen. Russlands Präsident Wladimir Putin kommentierte das nun mit Sarkasmus: „Man sollte nicht Wortspiele betreiben und zwischen gemäßigten und nicht gemäßigten Terroristen unterscheiden“, sagte er. Der Unterschied liege wohl darin, dass die Gemäßigten „die Leute höflich enthaupten“. Mit russischer Hilfe will Syriens Regime vor etwaigen Gesprächen mit der Anti-Assad-Opposition offenbar auf dem Schlachtfeld Fakten schaffen, um eine bessere Verhandlungsposition zu erlangen.

Neben Russland ist der Iran der Hauptverbündete Assads. Teheran unterstützt ihn mit Elitetruppen. Bei den Gesprächen in Wien saß der Iran aber nicht am Tisch, was Russlands Außenminister kritisierte. Das gemeinsame Interesse, Assad zu helfen, hat zu neuer militärischer Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Iran geführt. Die Operationen werden in einer gemeinsamen Zentrale koordiniert.

Das saudische Königshaus und die anderen Monarchien am Golf zählen zu den erbittertsten Gegnern des syrischen Regimes: Der saudische Außenminister, Adel al-Jubeir, bekräftigte beim Treffen in Wien: „Das beste Szenario wäre, wenn wir in der Früh aufwachen und Assad ist nicht mehr da.“ Aus saudischer Sicht würde ein Sturz Assads einen wichtigen Verbündeten des Iran ausschalten – des größten Rivalen in der Region. Die Golfmonarchien unterstützen mehrere Rebelleneinheiten in Syrien, unter anderem die sogenannte Islamische Front, einen Zusammenschluss zahlreicher islamistischer Gruppen.

Ankara fordert den Sturz Assads und unterstützt die Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA). Zudem drückte man auch immer wieder alle Augen zu, wenn Kämpfer jihadistischer Gruppen die syrisch-türkische Grenze querten. Jetzt kommen aus Ankara auch Signale, dass man Assad für eine Übergangszeit akzeptieren könne. Die Türkei verlangt zudem eine Schutzzone auf syrischem Gebiet.

KRIEG IN SYRIEN

250.000 Tote und Millionen von Flüchtlingen sind das schauerliche Resultat des Krieges in Syrien. Der Konflikt begann Anfang 2011 mit Demonstrationen gegen das Regime. Als Machthaber Bashar al-Assad versuchte, die Proteste niederzuschlagen, griff auch die Opposition zu den Waffen. Mittlerweile kämpfen unzählige militärische Einheiten in Syrien, darunter auch jihadistische Organisationen wie al-Qaida oder der Islamische Staat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2015)

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