Japans Sexsklavinnen: "Wir können und wollen nicht vergessen"

Gedenken an
Gedenken an "Trostfrauen"REUTERS
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Südkoreas Frauenministerin spricht über die Sexsklavinnen unter japanischer Besatzung, Japans zögerliche Entschuldigungen - und über Südkoreas niedrige Geburtenrate.

Geschätzte 200.000 Frauen wurden vom japanischen Militär von 1931 bis 1945 als „Sexsklavinnen“ in eigens eingerichteten Militärbordellen missbraucht. Sie alle stammten aus den von Japan besetzten Gebieten, die meisten Opfer waren Koreanerinnen. Tokio verweigerte bisher ein eindeutiges Schuldbekenntnis – was für frostige Beziehungen mit Seoul sorgt.

Um die diplomatische Eiszeit zu beenden, trafen sich nun erstmals Japans Premier Shinzo Abe und Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye: Der Streit um „Trostfrauen“ – so der Euphemismus für diese Frauen – solle schnell beigelegt werden, hieß es. Einige Wochen vor dem Gipfel sprach „die Presse“ mit Südkoreas Frauen- und Familienministerin Kim Heejung in Seoul:

Wie sehr belastet das Verbrechen an „Trostfrauen“ immer noch das Verhältnis zu Tokio?

Kim Heejung: Für Japan handelt es um eine diplomatische Frage, nicht eine humanitäre. Da geht es darum, wie sehr diese Zeit (bzw. ein Schuldbekenntnis, Anm.) der Regierung schadet. Aber es geht hier um Menschenrechte, um ein grausames Verbrechen, nicht um Diplomatie: Tokio sollte sich einfach an die Fakten halten. Einfach an all das, was damals passiert ist. Fakten, nicht Meinungen, zählen.

Was erwarten Sie von Japan?
Japans Regierung sollte als allererstes die Verantwortung der damaligen Militärregierung anerkennen, danach aufrichtig um Entschuldigung bitten und jungen Japanern dieses grauenhafte Kapitel der eigenen Geschichte erzählen. Aber bisher wurden nicht einmal die Fakten anerkannt. Die Zeit drängt. Die Überlebenden sind sehr alt.

Frauenministerin Kim Heejung
Frauenministerin Kim Heejung(c) Kim Minjung

Sind unter Japans Premier Shinzo Abe Fortschritte überhaupt möglich? In seiner Rede im Sommer zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieg erwähnte er die „Trostfrauen“ nur indirekt.
Es gab zuletzt Rückschritte. Wir erwarten grundsätzlich, dass nicht jedes Mal, wenn ein neuer Premier im Amt ist, eine neue Position vertreten wird. Das schadet der Glaubwürdigkeit Japans, es belastet unser Vertrauen in Tokio. Viele Koreaner schauen auf Europa, auf Deutschland, denken an den Kniefall Will Brandts und fragen sich: Wieso kann das Japan nicht auch tun?

Der Streit fällt in sicherheitspolitische sensible Zeiten – Japan und Südkorea sind beide enge Alliierte der USA, dessen größtes Problem in der Region China ist. Washington will keine zerstrittenen Partner, deshalb drängt es auf Versöhnung.
Wichtig ist doch anzuerkennen, dass ein schweres Verbrechen begangen wurde: Mädchen wurden entführt, vergewaltigt, zur Prostitution gezwungen. Viele wurden kurz vor Kriegsende ermordet, um Beweise zu zerstören. Die Überlebenden kamen krank, traumatisiert heim: Wie sollen wir das vergessen? Wir wollen das nicht vergessen. Wir wollen, dass das nie wieder geschieht. Nirgendwo.

Sollte es stärkeren internationalen Druck auf Japan geben?
Nicht Druck, sondern Interesse der internationalen Gemeinschaft für dieses Thema brauchen wir. Viele der Opfer und Täter sind noch am Leben, es muss etwas geschehen, damit diese Verbrechen anerkannt werden. Die Überlebenden sind sehr alt.

Was sollte die internationale Gemeinschaft tun?
Im Ausland wissen wenige Menschen, was damals geschehen ist. Wir haben bereits ein Weißbuch veröffentlicht: Es sollen die Schicksale der Betroffenen und die Umstände der Verbrechen nocheinmal genau dokumentiert werden. Und Lösungen präsentiert werden, wie Japan damit umgehen sollte.

Wie sieht es mit einer länderübergreifenden, gemeinsamen historischen Kommission aus?
Auf akademischer Ebene – und auch von Seiten der Zivilgesellschaft – gibt es bereits unzählige Initiativen. Das Problem ist die japanische Regierung.

Ein ganz anderes Thema: Was sind die Gründe für die extrem niedrige Geburtenrate in Südkorea?
Es ist schwierig, in Südkorea Familie und Job zu vereinbaren: Es arbeiten mehr Frauen als je zuvor – allerdings geben viele den Job auf, sobald sie Kinder haben. Wir müssen es schaffen, dass diese Frauen am Arbeitsmarkt bleiben. Da muss noch viel geschehen.

Was planen Sie?
Wir wollen, dass mehr Väter in Babykarenz gehen. Es gibt bereits einen Papa-Monat, der soll nun auf drei Monate ausgeweitet werden. Derzeit nehmen 4,4 Prozent der Väter das in Anspruch, aber es werden langsam mehr.

Wie wollen Sie Unternehmen überzeugen? Ein Mann, der auf Babypause geht, wird meist nicht gut angesehen.
Wir haben Anreize für Firmen eingeführt. Unter anderem ein neues Label, das „familienfreundliche Unternehmen“ auszeichnet: Wir schauen uns an, was diese Unternehmen für Kinderbetreuung leisten, ob sie offen sind für flexible Arbeitszeiten bei Eltern oder Väter-Karenzen. Wenn eine Firma gute Noten erhält, dann darf sie mit dem Label auf ihrem Produkt werben. Es hilft übrigens, dass Südkorea erstmals eine Frau als Präsidentin hat: Das ist ein wichtiges Symbol für unser ehemals sehr konservative Gesellschaft.

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