„Der Front National freut sich über diese Linke“

Caroline Fourest
Caroline Fourest(c) Fourest
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Ein Teil der französischen Linken arbeite der extremen Rechten in die Hände, kritisiert die Publizistin Caroline Fourest. Wer wirklich gegen Islamophobie sei, müsse den politischen Islam bekämpfen.

Die Presse: Gerade erst schrieb der in Saint-Denis lebende Exil-Algerier Fewzi Benhabib in der „Presse“, wie er die Islamisierung seiner Stadt miterlebt hat. Kennen Sie ihn?

Caroline Fourest: Ich kenne ihn und viele andere laizistische Algerier, die vor den Islamisten nach Frankreich geflohen sind. Sie gehören zu unseren wichtigsten Aufklärern. Bei uns in Frankreich haben wir mittlerweile in manchen Vierteln Lebensweisen, wie sie in Algerien unvorstellbar wären. Die Islamisten wollen Segregation im öffentlichen Leben. Diesen Säuberungsgeist haben sie mit der extremen Rechten gemeinsam.

Frankreichs Linke, zu denen Sie sich zählen, scheinen in der Frage tief gespalten.

Die extreme Linke versucht nach den Attentaten vom 13. November schon wieder, die Verantwortung umzukehren: Frankreichs Außenpolitik sei schuld. Das ist eine Umkehrung der Chronologie. Sie behauptet auch, Fundamentalismus komme von der Islamophobie. Sie versteht nicht, dass die Angst vor dem politischen Islam durch den Fundamentalismus verursacht wird, nicht umgekehrt.

Sehen Sie Anzeichen einer Kursänderung?

Nein. Allerdings gewinnt die „Charlie Hebdo“-Linke gegenüber der blinden und abgehobenen Linken an Boden. Diese ist immer mehr in der Minderheit, wird aber zugleich immer lauter, vielleicht auch aus Zorn, weil die anderen recht hatten. Und während sie jede Kritik als islamophob verleumdet, steigen mit ihrer Hilfe die wahren Rassisten auf. So stärkt die extreme Linke die extreme Rechte, und der Front National freut sich.

Teile der Linken kritisieren auch die strikte Trennung von Religion und Staat.

Ja, ein Teil der Linken stellt die Verteidigung des Laizismus als Extremismus dar, dabei ist sie genau das Gegenteil. Sie ist der Rahmen für ein Miteinander von Gläubigen und Ungläubigen. Der zugrundeliegende Universalismus ist natürlich ehrgeiziger als der Multikulturalismus, was die für alle Bürger geltenden Rechte und Pflichten gilt. Seit Jahren gibt es Gruppen, die Ausnahmen fordern. Und wenn man höflich, aber fest erwidert, nein, das Konzept der Gleichheit sei wichtiger, wird man islamophob genannt.

Ist das Kopftuchverbot an Schulen für Sie keine extreme Maßnahme?

Das Kopftuch ist nur in öffentlichen Schulen verboten, wenigstens sie sollen vor der Konkurrenz der religiösen Zeichen geschützt sein, auch um der Schüler willen! Die Kinder sollen nicht auf ihre Religion festgelegt werden. Wir diskutieren über Schweinefleisch in Schulmenüs, wir wollen, dass alle zusammen essen können, und dass die Schüler sich nicht so jung schon zur Religion ihrer Eltern bekennen müssen. Diesem Dilemma entkommt man, wenn man ein Menü mit Fleisch und ein vegetarisches anbietet.

Michel Houellebecq porträtiert im Roman „Unterwerfung“ nicht nur ein von den Muslimbrüdern beherrschtes Frankreich, sondern auch ein linkes akademisches Milieu, deren Protagonisten zunächst naiv und auf ihren Anti-Rassismus fixiert sind, um ihr Fähnchen sodann opportunistisch nach dem neuen islamistischen Wind zu drehen. Fanden Sie seine Satire treffend?

Ich hatte am Tag der Anschläge auf „Charlie Hebdo“, dem 7. Jänner, eine Radiodiskussion mit Houellebecq. Ich finde, er hat die psychische Befindlichkeit mancher Universitätsprofessoren gut getroffen. Es gibt bei männlichen intellektuellen Linken eine Faszination für die muslimische Rhetorik männlicher Dominanz. In Houellebecqs Welt verstehen sich die Machos untereinander. Houellebecq ist kein Kritiker dieses Macho-Denkens an sich, aber gut, das ist die Freiheit des Romanciers.

Warum nimmt man die liberalen Muslime im öffentlichen französischen Diskurs so wenig wahr?

Weil sie nicht als Muslime auftreten, sondern als Bürger. Diese Muslime bekommen so viele Drohungen, sie sind so isoliert! Die meisten halten das nicht lang aus. Und die schweigende Mehrheit verurteilt zwar im ersten Moment ein Attentat, beschränkt sich aber sofort wieder darauf, gegen die „Islamophobie“ zu kämpfen. Wer diese aber wirklich bekämpfen will, muss auch unentwegt gegen den politischen Islam kämpfen.

Was für eine Rolle spielt der Dachverband muslimischer Organisationen, der Conseil français du culte musulman?

Das ist eine Zwangsehe. Die Muslime darin vertreten völlig unterschiedliche Formen des Islam. Das ist, als würde man einen Rat aus deutschen Antifaschisten und Neonazis machen. Die Öffentlichkeit muss diese Kluft endlich mehr zur Kenntnis nehmen.

Hat man in Frankreich zu zögerlich auf die Anschläge auf „Charlie Hebdo“ im Jänner reagiert?

Man ist sich der Probleme immerhin sehr bewusst geworden. Derzeit werden 1000 Laizismus-Referenten in die Schulen geschickt. Die Menschen haben endlich kapiert, was los ist. Deswegen müssen wir auch von Krieg reden, sonst verlieren wir zu viel Zeit.

Muss man das wirklich?

Wir sind im Moment dazu gezwungen, das Wort Krieg zu verwenden, sonst realisieren die Leute nicht, wie schlimm die Situation ist. In Wahrheit ist es viel schlimmer als ein Krieg. Krieg kennt man, ein Land kämpft gegen ein anderes, es gibt Regeln. Das hier ist eine Mischung aus dem Schlimmsten, aus Nazi-Organisation, KGB-Methoden, Manipulation und Sakralisierung, um vollkommen willfährige Soldaten zu kreieren. Im Kampf dagegen braucht man alle Ressourcen eines Staates. Allerdings wird dieser Kampf nicht aufhören, indem man den IS besiegt. Der Islamismus ist die Herausforderung unserer Generation, wie es früher Nationalsozialismus oder Stalinismus waren. Wir müssen ihn auf allen Ebenen bekämpfen: geistig, gesellschaftlich, politisch. Außerordentliche Maßnahmen, wie sie jetzt beschlossen wurden, sind immer heikel. Aber Demokratie kann nicht ein Fußabstreifer für die Anti-Demokraten sein. Ich bin mir ganz sicher: Wenn wir jetzt nichts tun, werden wir bald faschistische Regime in Europa haben.

ZUR PERSON

Caroline Fourest, geb. 1975, gehört zu den streitbarsten linken und feministischen Journalistinnen und Buchautorinnen Frankreichs. Nach etlichen Arbeiten zur extremen Rechten engagiert sie sich seit Jahren gegen den politischen Islam und die, wie sie meint, „Blindheit“ von Teilen der Linken – etwa mit ihrem Buch „Frère Tariq“ über Tariq Ramadan. [ C. Fourest ]

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)

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