Streit über Flüchtlingsfrage: Merkel verließ CSU-Parteitag in München erbost und ohne Abschiedsgruß.
München/Berlin. Mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre liebe Not. Der Chef der Schwesternpartei CSU war nie einfach zu handhaben, nun aber geht er auf Eskalationskurs. Am Freitag gipfelte der Streit der beiden Spitzenpolitiker auf dem Parteitag der CSU in München. Bayrischen Forderungen nach einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen erteilte Merkel in ihrer Rede erneut eine Absage. Seehofer ergriff danach das Wort und stellte unter Applaus der Delegierten klar: die CSU bleibt in dieser Frage auf ihrer Linie. Wütend und ohne Gruß verließ Merkel den Saal. Die Blumen und ein Geschenk zum zehnjährigen Jubiläum ihrer Kanzlerschaft drückte sie einem Mitarbeiter in die Hand.
In der Flüchtlingsfrage hat der 66-Jährige die Kanzlerin unter den Augen der gesamten Republik seit Wochen ungeniert vor sich her getrieben. Eine Eindämmung der Zuwanderung, eine Obergrenze für Flüchtlinge – das ist, was die CSU fordert. Mehr als 460.000 Flüchtlinge kamen allein seit September im Freistaat an. Dass es so nicht weitergehen kann, dürfte auch Merkel eingesehen haben. Öffentlich tat sie das freilich nie kund. Doch Seehofers Unmut – und der einiger anderer in der Union – sorgt für eine sukzessive Kehrtwende, eine Kurskorrektur in der deutschen Asyldebatte.
Das Gepolter Seehofers beschert dem Politiker steigende Zustimmungswerte in der Bevölkerung. Merkels Beliebtheit sinkt im gleichen Ausmaß. Regieren könnte die Kanzlerin freilich auch ohne die CSU. In Bayern ist man aber auf die Präsenz in Berlin angewiesen.
Leere und erfolgreiche Drohungen
Seehofer drohte zuletzt oft. Er wollte die Koalition platzen lassen, die Grenze zu Österreich schließen und Flüchtlinge vors Berliner Kanzleramt schicken. Er wollte Berlin mit einer Verfassungsklage eindecken und sprach zigmal von Notmaßnahmen. Der CSU-Landesvater bekam zwar weder Transitzonen noch eine geschlossene Grenze. Dafür erhielt er Registrierzentren und Kontrollen – und Aufmerksamkeit in Berlin. Selbst der Koalitionspartner SPD stimmte letztendlich einem schärferen Gesetzesentwurf zu. (nst/ag.)
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(APA/dpa/AFP)