Russland droht Nato mit „Vergeltung“

NATO foreign ministers gather for the session to formally admit Montenegro during ministerial meetings at NATO Headquarters in Brussels
NATO foreign ministers gather for the session to formally admit Montenegro during ministerial meetings at NATO Headquarters in Brussels(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
  • Drucken

Die Nato bietet dem Balkanland den Beitritt an. Doch Russland, das enge Bande mit dem Kleinstaat hat, könnte Maßnahmen gegen die Erweiterung ergreifen.

Brüssel/Moskau/Belgrad. Den „Beginn einer wunderschönen Allianz“ sah Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Aus Moskau drang hingegen die Warnung vor „Vergeltungsmaßnahmen“ nach Brüssel. Dort luden gestern die Nato-Außenminister Montenegro offiziell ein, der Militärallianz beizutreten. Voraussichtlich im nächsten Jahr dürfte das Balkanland mit 650.000 Einwohnern zum 29. Mitglied des Bündnisses werden. Bis dahin müsse die Republik, die seit vielen Jahren von Premier Milo Djukanović regiert wird, noch einige Reformen für mehr Rechtsstaatlichkeit umsetzen, so Stoltenberg.

Nicht nur im Adriastaat selbst ist der Nato-Beitritt höchst umstritten, auch das unter anderem wegen der Ukraine-Krise beeinträchtigte Verhältnis zwischen Nato und Russland dürfte die Einladung nicht verbessern. Stoltenberg versicherte, bei der Einladung gehe es „nicht um Russland“, sie sei „gegen niemanden gerichtet“. Doch Moskau sieht das anders.

Der Beitrag Montenegros zur Nato-Streitmacht ist eher symbolisch: Über 2000 Mann verfügt die Armee des Kleinstaates. Dennoch missfällt Moskau das Faktum der Ausdehnung des westlichen Verteidigungsbündnisses. In den Augen des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, ist die sich ostwärts ausdehnende Nato eine Bedrohung. Da hilft es nichts, dass Montenegro längst nicht – wie etwa die Ukraine oder Georgien – an Russland grenzt und bereits von europäischen Nato-Mitgliedern umgeben ist: 2009 traten Kroatien und Albanien in der bis dato letzten Erweiterungsrunde der Allianz bei.

Stopp der gemeinsamen Projekte

Welche Schritte Moskau im Detail vorbereitet, ist noch unklar. Dmitrij Oserow, Chef des Verteidigungskomittees im Föderationsrat, drohte den Stopp gemeinsamer Projekte an, inklusive jener im Militärbereich. Der Vizesprecher der Duma, Nikolaj Lewitschew, stellte ein Ende der russischen Investitionen in Aussicht. Ein Wirtschaftsembargo wäre für Montenegro schmerzhaft: Russland ist ein wirtschaftlicher Player in dem Adriastaat. Russen machen ein Drittel aller Touristen in dem Küstenstaat aus – und sind die wichtigsten Käufer auf dessen schwächelndem Immobilienmarkt.

Montenegro galt wie sein nördlicher Nachbar Serbien bisher als Land, in dem Moskau seinen wirtschaftlichen Einfluss zu vergrößern suchte und politisch auf Verbündete zählen konnte. Doch mit dem Brüsseleler Ja scheint die Ära des friedlichen Buhlens um Einfluss in Montenegro vorbei.

Die Einladung an das korruptionsgeplagte Montenegro kommt zu einem Zeitpunkt, da das Verhältnis zwischen Nato und Russland in mehrerlei Hinsicht belastet ist. Seit der Annexion der Krim durch Russland und der Entfachung des Krieges im ostukrainischen Donbass durch russische Waffenhilfe stehen die Zeichen auf Sturm. Innerhalb der Nato hat Russlands hybrider Krieg im Donbass Fragen nach der Verteidigungsfähigkeit der Allianz aufgeworfen. Insbesondere die baltischen Staaten sehen sich in ihrer nationalen Sicherheit bedroht. Zwischen Russland und der Nato ist derzeit jegliche Zusammenarbeit ausgesetzt, auch wenn das Bündnis nun wieder Gespräche innerhalb des Nato-Russland-Rates prüft.

Apropos Osterweiterung: Auf einen Beitritt hoffen auch Bosnien und Herzegowina und Mazedonien. Die Ukraine und Georgien, zwei frühere Sowjetrepubliken auf Westkurs, können indes von der Nato keine Zusagen erwarten. Als Reaktion auf den Krieg im Osten hat die ukrainische Regierung den Blockfreien-Status des Landes aufgegeben und verfolgt nun ebenso einen Beitritt zu der Militärallianz. Doch mit dem ungelösten Territorialkonflikt im Donbass ist eine Aufnahme illusorisch.

Keine Chance für Georgien

Georgien, das sich seit Jahren um die Nato-Aufnahme bemüht, wird ebenfalls enttäuscht. Schon vor dem Augustkrieg 2008 mit Russland waren Frankreich und Deutschland skeptisch. Nach dem kurzen Sommerkrieg und der Ukraine-Krise dürfte die Zahl der Skeptiker noch gewachsen sein. Einer Nato-Erweiterung auf postsowjetisches Territorium hat der Kreml den Riegel vorgeschoben.

Das Balkanland Montenegro fällt geografisch nicht in diese Kategorie. Es ist ein Leichtgewicht, aber offenbar noch immer groß genug, um Putins Zorn auf sich zu ziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Foreign Minister of Montenegro Luksic gestures during a news conference after a NATO foreign ministers meeting at the Alliance´s headquarters in Brussels
Außenpolitik

Einladung zu westlichem Bündnis spaltet Montenegro

Streit um Beitritt. Vor allem die serbische Volksgruppe im Balkanstaat Montenegro läuft gegen eine Mitgliedschaft in der Nato Sturm.
Außenpolitik

Grünes Licht für Nato-Mitgliedschaft Montenegros

Das Balkan-Land wird das 29. Mitglied des transatlantischen Militärbündnisses.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.