Bagdad fordert Abzug türkischer Truppen aus dem Nordirak

Iraks Premierminister Haider al-Abadi ist mit einer unübersichtlichen Lage im Irak konfrontiert.
Iraks Premierminister Haider al-Abadi ist mit einer unübersichtlichen Lage im Irak konfrontiert.(c) REUTERS
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Der Irak ortet eine "schwere Verletzung der Souveränität" des Landes. Russland wirft den USA vor, türkische Ölgeschäfte mit dem IS zu decken.

Die jüngste Stationierung türkischer Soldaten im kurdischen Norden des Irak hat wütende Proteste in Bagdad ausgelöst. Die irakische Zentralregierung forderte die Türkei am Samstag zum "sofortigen" Abzug ihrer Soldaten und Panzer auf, die ohne Erlaubnis Bagdads ins Land gekommen seien. Der Konflikt zwischen der Türkei und Russland dauerte indes an.

150 türkische Soldaten mit 20 bis 25 Panzern waren im Irak in der Region um Bashika nördlich von Mossul angekommen, wie die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Die Ölstadt Mossul war im Juni 2014 von der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) überrannt worden.

Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi nannte die Stationierung am Samstag eine "schwere Verletzung der Souveränität" seines Landes. Der türkische Botschafter wurde ins Außenministerium in Bagdad vorgeladen.

"Rotation" der Ausbildungsmission

Nach türkischen Angaben handelte es sich bei der Truppenbewegung lediglich um eine Rotation innerhalb der Ausbildungsmission der türkischen Armee für kurdische Peschmerga-Kämpfer, die für den Kampf gegen die IS-Miliz ausgebildet würden.

Türkische Medien berichteten aber über eine weitaus umfangreichere Stationierung. "Die Türkei errichtet eine Basis in der Bashika-Region von Mossul mit 600 Soldaten", titelte die Zeitung "Hürriyet". Dies gehe auf eine Vereinbarung der türkischen Regierung mit dem Präsidenten der autonomen Kurdenregion, Massud Barsani, zurück, der eng mit Ankara zusammenarbeitet - auch wirtschaftlich etwa im Ölbereich. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bestritt aber in einer Fernsehansprache, dass sein Land die Militäreinsätze im Irak ausweite.

Iraks Regierungschef Abadi, ein Schiit, steht unter Druck insbesondere schiitischer Kräfte, nicht noch mehr ausländische Truppenpräsenz auch der USA im Irak zuzulassen. Vor einigen Tagen erklärte er, jegliche Entsendung fremder Truppen auf irakischen Boden werde als "feindlicher Akt" angesehen. Im Zuge der von Washington angeführten Anti-IS-Koalition befinden sich seit dem vergangenen Jahr tausende US-Militärberater im Irak.

Auch Kurden relativieren türkische Präsenz

Die Kurden im Nordirak, die auch von Deutschland mit Waffen unterstützt und ausgebildet werden, versuchten die türkische Truppenstationierung zu relativieren. Der Kommandant der Peschmerga in der Region, Nureddin Herki, sprach von einer Routinerotation.

Die Türkei steht weiterhin im Verdacht, islamistische Milizen im Kampf gegen den syrischen Staatschef Bashar al-Assad zu unterstützen. Unter dem Druck vor allem der USA hatte sich die Türkei im Juli der Anti-IS-Koalition angeschlossen. Zuletzt hatte Russland der Türkei offen vorgeworfen, Ölgeschäfte mit dem IS zu betreiben. Auslöser war der Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe, der auf syrischem Territorium niederging.

NATO verteidigt Türkei

Nach den USA nahm am Wochenende auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Türkei angesichts der Vorwürfe zu den Ölgeschäften in Schutz. Die Türkei sei Teil einer Koalition, die genau diese Finanzierungsquellen der IS-Miliz bekämpfe, sagte Stoltenberg der "Bild am Sonntag". Das russische Verteidigungsministerium hielt den USA indes vor, die türkischen Ölgeschäfte offenbar "decken" zu wollen. Moskau empfahl der US-Regierung, die Bilder ihrer eigenen Drohnen von der syrisch-türkischen Grenze zu konsultieren.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versicherte inzwischen am Wochenende, sein Land werde auch andere Energielieferanten finden, sollte Russland den Gashahn zudrehen. Dabei verwies der islamisch-konservative Politiker auf Katar und Aserbaidschan. Russland ist der wichtigste Energielieferant der Türkei.

(APA/AFP)

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