Russland: Putins Pioniere

An manch russischer Schule (hier: Stawropol) gibt es noch immer Pioniere – jetzt sollen sie landesweit wiederbelebt werden.
An manch russischer Schule (hier: Stawropol) gibt es noch immer Pioniere – jetzt sollen sie landesweit wiederbelebt werden.(c) REUTERS (EDUARD KORNIYENKO)
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Mit einer neuen landesweiten Schülerorganisation will der russische Staat die patriotische Erziehung von Kindern sicherstellen.

Moskau/Wien. Das Datum war bewusst gewählt: Am 29. Oktober 2015 unterzeichnete Russlands Präsident, Wladimir Putin, einen Erlass für die Gründung einer neuen staatlich organisierten Schülerorganisation. Allrussische Schülerbewegung wird sie heißen. Der 29. Oktober war auch der Tag, an dem 1918 der Komsomol, die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei, gegründet wurde.

Der russische Präsident, ein Meister auf der Klaviatur der politischen Assoziationen, weiß, wie er Aufmerksamkeit erregen kann: Für den Westen scheinen Aktionen wie diese die oft geäußerten Befürchtungen von der Wiedererrichtung der Sowjetunion zu bestätigen; in Russland selbst werden Erinnerungen an die alte Größe wach – oder einfach angenehme Jugenderinnerungen. Gründet Russland die Pioniere 2.0? Eine Kinderkampftruppe unter der Flagge des Putinismus?

Noch ist es zu früh für Urteile. Wie so oft im heutigen Russland, geht Form vor Inhalt, Ukas vor konkrete Aktionen. Soll heißen: Struktur und Programm der Schülerbewegung müssen erst von Experten der Agentur für Jugendangelegenheiten ausgearbeitet werden. Eine Nachfrage der „Presse“ in Moskau blieb unbeantwortet.

In russischen Medien war zu lesen, dass es zu Jahresbeginn 2016 einen Gründungskonvent geben werde. „Der Staat muss die Kinder so erziehen, wie er sie braucht, dessen muss man sich nicht schämen“, zitiert die Onlinezeitung gaseta.ru den Chef der Jugendagentur, Sergej Pospelow. Man müsse die Jugendarbeit auf „ein neues Niveau“ bringen.

Tüchtige russische Körper

Der Kreml macht sich Sorgen um die Jugend: nicht nur um Alkohol- und Drogenmissbrauch, sondern auch um die patriotische Erziehung. Obwohl es schon eine Vielzahl an offiziösen Initiativen und parteinahen Jugendorganisationen gibt, werden diese offenbar als ungenügend betrachtet. Schon in den vergangenen Jahren startete man mehrere Versuche der Mobilisierung der Jungen.

Als erfolgreichstes Projekt darf die mit der Kreml-Partei Einiges Russland assoziierten Naschi (Die Unsrigen) gelten. Mit fragwürdigen Aktionen wie Bücherverbrennungen und dem alljährlichen Ideologie- und Trainingscamp im Ort Seliger wurde sie bekannt. Zur Stärkung der Körperkultur hat Präsident Putin 2013 außerdem ein Sportleistungsabzeichen aus der Sowjetzeit wiederbelebt. „Bereit zu Arbeit und Verteidigung“ heißt es auf Deutsch, GTB ist das russische Akronym, das für jede Altersklasse bestimmte Fitnessnormen setzt, die man in Wettbewerben erkämpfen kann. Im schulischen Lehrplan will man wiederum Kinder vor angeblich schädlichen Inhalten – etwa homosexueller „Propaganda“ schützen.

Wirft man einen Blick in den Entwurf für die bis 2025 gültige staatliche Erziehungsstrategie, sticht die darin formulierte Priorität der patriotischen Erziehung ins Auge: die Formierung einer „russischen Identität, der Achtung von Familie, Gesellschaft, Staat, die Akzeptanz in Familie und Gesellschaft anerkannten geistigen und soziokulturellen Normen“, heißt es dort.
Ob des Kremls patriotische Jugendpolitik Erfolg hat, wird sich unter anderem an der Finanzierung entscheiden: neben dem Programm der Schülerbewegung eine weitere noch offene Frage in Zeiten sinkender Budgeteinnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2015)

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