Spanien: Das Comeback des „guten Deutschen“

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CDU-Bundesparteitag(c) APA/dpa/Michael Kappeler (Michael Kappeler)
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Das deutsche Image hat sich in spanischen Medien deutlich verbessert, seit „la Merkel“ zur Aufnahme von Flüchtlingen gerufen hat.

Madrid. An den spanischen Stammtischen war der Ruf Deutschlands in den vergangenen Jahren nicht besonders gut. Vor allem, weil die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, dafür verantwortlich gemacht wurde, dass auch das Eurokrisenland Spanien den Gürtel immer enger schnallen musste. Und dass den spanischen Bürgern große Opfer abverlangt wurden. Böse Vorwürfe gegenüber den „egoistischen Deutschen“ waren zu hören, die Südeuropa angeblich eine rücksichtslose Austeritätspolitik aufgezwungen hätten. Deren Banken sich, so hieß es verbittert, sogar noch an der spanischen Schuldenkrise bereicherten. Die Deutschen seien „europafeindlich und unsolidarisch“, wurde aus allen Rohren gefeuert.

Doch seit „la Merkel“, wie die Kanzlerin in Spanien meist genannt wird, in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 zum humanitären Gewissen Europas wurde und die Aufnahme von Hunderttausenden Kriegs- und Krisenflüchtlingen ermöglicht hat, ist von deutschlandfeindlichen Tönen nicht mehr viel zu hören. Das Bild des hässlichen Deutschen verschwand über Nacht. Stattdessen machte sich südlich der Pyrenäen allenthalben Bewunderung und Lob für die deutsche Solidarität breit: Ein Comeback des „guten Deutschen“ – wenigstens im Ausland. Denn zu Hause bröckelt Merkels Ruf inzwischen.

Spaniens Weigerung kam nicht gut an

„Deutschland geht mit gutem Beispiel voran“, schrieb Spaniens größte Tageszeitung, die eher sozialdemokratischfreundliche „El País“, in einer Würdigung der Flüchtlingspolitik Merkels. Spaniens zweitgrößtes Blatt, die bürgerliche „El Mundo“, befand, Deutschlands Aufnahmebereitschaft sollte ganz Europa als Lehre für menschliche Großzügigkeit dienen. Die Deutschen und Merkel hätten all jenen Ländern eine moralische Lektion erteilt, die sich gegen die gerechte Verteilung der Flüchtlinge über alle europäischen Staaten wehren, heißt es in den spanischen Medien einhellig.

Pikanterweise gehörte auch Spanien im vergangenen Jahr zu den unsolidarischen Ländern: Die konservative spanische Regierung hatte sich erst nach längerem Zögern und großem innenpolitischen Druck bereiterklärt, eine größere Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Nach dem in Brüssel beschlossenen EU-Verteilungsplan sollte Spanien in den nächsten zwei Jahren rund 17.000 der in Italien und Griechenland ankommenden Asylbewerber unterbringen. Von ihnen waren bis Jahresende allerdings lediglich 18 auf spanischem Boden angekommen.

„Spanien war zusammen mit Ungarn jenes Land, das die größten Probleme hinsichtlich einer gemeinsamen Asylpolitik gemacht hat“, analysiert Francisco Javier de Lucas, spanischer Flüchtlingsexperte und Professor für Rechtsphilosophie. Diese offizielle Verweigerung der Regierung kam in Spaniens Bevölkerung allerdings nicht gut an und sorgte wohl auch dafür, dass Deutschlands Willkommenskultur plötzlich als leuchtendes Beispiel gesehen wird.

Übrigens: Der Volkswagen-Skandal mit der manipulierten Abgassoftware, der 2015 auch Hunderttausende spanische VW- und Seat-Fahrer verunsichert hat, scheint das Bild vom Vorbild Alemania nicht nachhaltig beschädigt zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2016)

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