Chinas Angst vor Hongkongs Büchern

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HONG KONG-CHINA-CENSORSHIP-POLITICS(c) APA/AFP/PHILIPPE LOPEZ
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Fünf Peking-kritische Verleger verschwanden. Sie sollen ein Buch über eine Exgeliebte Xi Jinpings geplant haben. Hongkonger fürchten um ihre Rechte.

Hongkong/Wien. Bei chinesischen Touristen sind sie besonders beliebt, die hoch konspirativen, meist anonymisierten Bücher in den Regalen ausgewählter Hongkonger Buchhandlungen. Es sind unautorisierte Biografien hochrangiger Parteifunktionäre, Enthüllungen über das Leben des „großen Steuermanns“ Mao Zedong, Theorien über die Umtriebe des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping oder Memoiren von Mätressen politischer Größen.

Lange Zeit waren diese Bestseller – mit ihren provokanten Titeln und reißerischen Inhalten – eine Goldgrube für Hongkongs Verleger. Doch aus Angst, sie könnten vom chinesischen Zoll konfisziert werden, trauen sich immer weniger Festlandchinesen, die in der Volksrepublik verbotenen Bücher über die Grenze zu schmuggeln.

Auch Lee Bo, Mitbesitzer von Causeway Bay Books in Hongkong, verkaufte die brisanten Werke – bis zu seinem mysteriösen Verschwinden vergangene Woche. Insgesamt vier weitere Mitarbeiter des Verlagshauses Starke Strömung gelten als vermisst. Schnell war die Öffentlichkeit mit Theorien zur Hand: Lee sei von Sicherheitskräften nach China verschleppt worden. Denn: Er habe mit seinen Kollegen ein Buch über eine Exgeliebte Xi Jinpings geplant.

Verkauf „bösartiger Inhalte“

Umso mehr fühlten sich Peking-Kritiker bestätigt, als Lees Frau die Vermisstenanzeige ihres Mannes zurückzog, nachdem ein selbst verfasster Brief des 65-Jährigen aufgetaucht war. Er sei aus geheimen Gründen nach China gereist, um „gewissen Parteien bei einer Ermittlung“ zu helfen. Die Polizei jedoch behauptet, sie habe keinen Grenzübertritt registriert. Zudem habe Lee seinen Ausweis zu Hause gelassen, meinte seine Frau.

„Die Angelegenheit betrifft die Zukunft von ,Ein Land, zwei Systeme‘“, warnt der Aktivist Albert Ho. Das Prinzip war Teil des Vertrags, der die Rückgabe Hongkongs an China 1997 regelte. Demnach könne die frühere britische Kolonie ihr kapitalistisches System bis 1947 bewahren. Hongkongs Demokratiebewegung fürchtet nun um die Presse- und Meinungsfreiheit, die der Stadt zumindest noch 30 Jahre verfassungsmäßig zusteht. Doch Peking ist auf seinen Einfluss in der Sonderverwaltungszone bedacht.

Nicht nur hat Chinas Führung jüngst eine Reform gekippt, die Hongkongs Bürgern ab 2017 freie Wahlen ermöglicht hätte. Im Dezember verkündete zudem Jack Ma den Kauf Hongkongs größter englischsprachiger Zeitung, „South China Morning Post“. Der Alibaba-Gründer rühmt sich für seine enge Beziehung zur Zentralregierung.

Eine offizielle Stellungnahme Pekings gibt es nicht. Aufschlussreich aber ist ein Kommentar der regierungsnahen „Global Times“. Lees Verlag veröffentliche Bücher mit „bösartigen und gefälschten“ Inhalten über Festlandchina. Dadurch würden politische Gerüchte verbreitet und würde schlechter Einfluss auf das Festland ausgeübt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2016)

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