Khalilzad: „Die iranische Regierung hat keine Lust auf Dialog“

(c) AP (Hadi Mizban)
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Der frühere US-Botschafter in Afghanistan und im Irak hat den Dialog mit Teheran eröffnet. Seine Iran-Lagebeurteilung.

Die Presse: Wie beurteilen Sie die Ereignisse der vergangenen Wochen im Iran?

Zalmay Khalilzad: Was passiert ist, ist eine wahre Tragödie für das iranische Volk. Die Machthaber haben einen dramatischen Fehler gemacht. Es ist schwer vorherzusagen, was als Nächstes passieren wird. Es gab auch während der Islamischen Revolution Perioden relativer Ruhe, die dann wieder von einer Protestphase abgelöst wurden. Es gibt nun eine Reihe von Szenarien: Der Iran wird ein zunehmend repressives System, eine Diktatur. Oder es wird instabil bleiben, zunehmend repressiv nach innen oder aggressiv nach außen – im Versuch, von den internen Problemen abzulenken. Möglich ist auch eine Mischung aus diesen beiden Vektoren. Oder das Land bewegt sich nach einer gewissen Zeit wieder Richtung Reform. Der Iran ist ein sehr einflussreiches Land. Was dort passiert, hat auch Folgen für die Region.

Hat Präsident Obama beim Umgang mit dieser Krise Fehler gemacht? Die Opposition wirft ihm vor, er habe nicht von Anfang an klar genug gegen die iranische Führung Stellung bezogen.

Khalilzad: Die USA stehen vor einem Dilemma. Sie wollen nichts unternehmen, das die Menschen, die auf Reformen drängen, in Schwierigkeiten bringen würde. Eine offene Unterstützung der Protestbewegung durch die USA hätte wohl negative Folgen. Dies würde dem Regime ein Motiv geben, stärker gegen diese Gruppen vorzugehen und sie als Marionetten ausländischer Mächte darzustellen. Andererseits sollte es keinen Zweifel daran geben, dass das politische Establishment der USA einen Wandel im Iran begrüßt und mit dem Volk, das in Teheran und in den Städten des Landes auf die Straße geht, sympathisiert.

Ich persönlich finde, dass man die Bedenken über die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen etwas deutlicher hätte äußern sollen. Man hätte auch die exzessive Gewaltanwendung bei der Zerstreuung der Demonstrationen stärker thematisieren sollen.

Während der Bush-Jahre haben die USA es mit einer harten Linie gegenüber dem Iran versucht. Dies hat keinen Erfolg gebracht. Präsident Obama versucht es mit Dialog. Was, wenn auch diese Strategie nirgendwohin führt?

Khalilzad: Die harte Linie hätte vielleicht ein wenig mehr Zeit und ein wenig mehr Flankenschutz von Amerikas Alliierten gebraucht, um Resultate zu bringen. Und ob Obamas Strategie der ausgestreckten Hand zum Erfolg führt, werden wir erst in einiger Zeit sehen. Kurzfristig hat es jedenfalls wenig gebracht.

Obama hat offenbar im Vorfeld der Wahlen einen Brief an den obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei geschrieben, Khamenei hat ihn in seinem Freitagsgebet vergangene Woche kurz erwähnt.

Khalilzad: Ich höre, dass der Präsident in diesem Brief den Wunsch der USA zum Ausdruck gebracht hat, mit dem Iran ins Gespräch zu kommen. Bisher gab es allerdings keine Reaktion. Die iranische Regierung hat derzeit keine Lust auf Dialog. Mit der Schwächung des Regimes durch die Ereignisse der vergangenen Wochen wächst aber vielleicht der Wunsch nach einem Dialog mit dem Westen. Obama muss sich angesichts der Wirtschaftskrise stärker den Problemen im eigenen Land widmen, daher auch der Wunsch, bei der Bewältigung der internationalen Probleme stärker auf Dialog, Kooperation und Konsens zu setzen.

Zuerst Peitsche, dann Zuckerbrot. Ersteres hat nicht funktioniert. Welche Optionen bleiben den USA, falls letztere Strategie ebenfalls nirgendwohin führt?

Khalilzad: Ich erinnere mich noch an die Bemühungen, Pakistan vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Doch Pakistan war so auf dieses Ziel fixiert, dass es kaum Einflussmöglichkeiten gab. Ich denke, dass es nun aber einen breiten Konsens gibt, mit dem Iran zu verhandeln. Ich persönlich habe als Botschafter in Afghanistan regelmäßig meinen iranischen Kollegen getroffen. Als Botschafter in Bagdad habe ich Präsident George W. Bush um die Ermächtigung gebeten, mit meinem iranischen Gegenüber sprechen zu dürfen. Ich habe ein Wort im Umgang mit dem Iran kreiert: Congagement. Containment: Eindämmung – engagement: Verhandlungen.

Im Moment sind Verhandlungen aber wenig opportun.

Khalilzad: Im Moment sind angesichts der Vorkommnisse auf den Straßen Irans keine Verhandlungen zu erwarten.

ZUR PERSON

Zalmay Khalilzad ist in Afghanistan geboren, studierte später in Beirut. In den USA wurde er in den Zirkel der Neokonservativen aufgenommen. Nach dem 11. September 2001 übernahm er 2003 den Posten des US-Botschafters in Kabul, 2004 wechselte er nach Bagdad. Dann löste der Realist Khalilzad den Hardliner John Bolton als Botschafter der USA bei der UNO ab. Heute ist er Berater am Center for Strategic and International Studies (CSIS) und führt die Firma Khalilzad Associates. Zuletzt gab es Gerüchte, er hätte Ambitionen auf einen einflussreichen Posten in Afghanistan. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2009)

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