Merkel unter heftigem Druck: Ein Ultimatum nach dem anderen

Um Angela Merkel wird es einsam.
Um Angela Merkel wird es einsam.(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
  • Drucken

Die CSU schickt Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber aus, aus der SPD schießt Vizekanzler Sigmar Gabriel gegen den Koalitionspartner, und selbst in ihrer CDU trifft die Kanzlerin auf Widerstand. Zuletzt scheint sogar die „Bild“-Zeitung Angela Merkel das Wohlwollen zu entziehen.

Berlin. Angela Merkel ist still geworden. Die öffentliche Debatte über ihre Flüchtlingspolitik führt die deutsche Bundeskanzlerin kaum mehr. Viel mehr als über ihren Regierungssprecher ausgerichtete Statements, dass sie eine „ganz klare Agenda von nationalen und europäischen Aufgaben“ habe, ist von ihr nicht zu hören. Doch während sie sich zunehmend in ihrer Position einzupuppen scheint, werden die Anwürfe von außen umso heftiger. Kein Tag vergeht, an dem nicht eine weitere prominente Stimme Merkel für ihre Flüchtlingspolitik verbal ohrfeigt.

Zuletzt stieg etwa der frühere bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber in den Ring. „Angela Merkel muss ihre Position jetzt ändern, weil das sonst für Deutschland und Europa verhängnisvolle Folgen hat“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Und stellte ein Ultimatum – bis Ende März müsse das Problem gelöst sein. Falls nicht, müsse die CSU die CDU zu ihrer Position bringen. „Notfalls auch gegen die Meinung von Frau Merkel.“

Schon am Wochenende hatte auch der amtierende CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident, Horst Seehofer, den Druck auf Merkel via Drohung im „Spiegel“ erhöht: „In den nächsten 14 Tagen werden wir die Bundesregierung schriftlich auffordern, an den Grenzen wieder rechtlich geordnete Verhältnisse herzustellen.“ Sollte das nicht geschehen, werde man vor das Bundesverfassungsgericht gehen.

Querschüsse aus den eigenen Reihen

Auch vom Koalitionspartner SPD kommt etwas, was man als Ultimatum verstehen kann. So drohten Vizekanzler Sigmar Gabriel und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, dass sich die SPD schärferen Grenzkontrollen nicht mehr länger verschließen werde, „wenn es Merkel bis zum Frühjahr nicht gelingt, eine europäische Lösung hinzubekommen“. Aber selbst in der eigenen Partei regt sich Unmut. Innerhalb der CDU/CSU-Fraktion war ein Antrag gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin geplant, letztlich wurde es aber nur ein Brief, da man den Antrag auch als Misstrauensvotum hätte interpretieren können. Im Schreiben, das Merkel am Montag übergeben wurde, wird das Ende der derzeitigen Zuwanderungspraxis gefordert.

Der Widerstand ist auch im Hinblick auf die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März zu verstehen. Denn aktuelle Umfragen zeigen, dass die Situation vor allem der AfD massiv zugutekommt – mit Ergebnissen zwischen zehn und 15 Prozent. Das könnte bedeuten, dass die CDU in Rheinland-Pfalz doch nicht mit einer schwarz-gelben Mehrheit die SPD verdrängen kann. Auch in Baden-Württemberg legt die AfD vor allem auf Kosten der CDU zu. Was dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann das Amt retten könnte.

Ist Merkel noch die Richtige?

In dieser verfahrenen Situation stellen sich aber auch einige prominente CDU-Politiker hinter Merkel. „Angela Merkel ist die Nummer eins“, sagte etwa die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, die in Rheinland-Pfalz als Spitzenkandidatin antritt. Es gebe auch keinen Vorschlag, „wer wirklich eine Alternative sein könnte“. „Es ist gut, dass man eine Zeit diesen Kurs auch einmal durchhält, ihn immer wieder präzisiert“, sagte der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende, Armin Laschet. Einschätzungen, die in der Öffentlichkeit immer stärker bezweifelt werden. Die „Bild am Sonntag“, die bisher kaum mit Kritik an der Kanzlerin aufgefallen ist, titelte zuletzt mit der offensiven Frage: „Ist Merkel noch die Richtige?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.