Rückkehr des Aufruhrs in Tunesien

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Tunesien erschüttern die schwersten soziale Unruhen seit dem Arabischen Frühling vor fünf Jahren.

Tunis/Kairo. „Wir kommen uns vor, als seien wir zurück in den Jahren 2010 und 2011“, schrieb die Zeitung „Al-Shorouk“. Seit Tagen wird die verarmte und vernachlässigte Zentralregion Tunesiens von Protesten junger Arbeitsloser erschüttert, die sich mittlerweile zu den schwersten sozialen Unruhen seit dem Arabischen Frühling vor fünf Jahren ausweiten. Damals kam hier der Volksaufstand gegen die Diktatur von Zine el-Abidine Ben Ali ins Rollen. Jetzt demonstrieren wieder Tausende junger Leute – diesmal gegen die demokratisch gewählte Regierung in Tunis.

In der 80.000-Einwohner-Stadt Kasserine nahe der Grenze zu Algerien errichteten sie Straßensperren aus brennenden Autoreifen und lieferten sich schwere Schlachten mit der Polizei. Bisher forderten die Tumulte zwei Tote und über 400 Verletzte. „Wir haben genug von den leeren Versprechungen“, skandierten die Arbeitslosen.

Die Führung reagierte alarmiert und verhängte am Freitag für unbestimmte Zeit eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die von 20 Uhr bis 5 Uhr früh gilt. Denn auch an der Küste und in der Hauptstadt brodelt es, wo in den Vorstädten Banden von Jugendlichen randalierten. Premier Habib Essid verkürzte seine Europa-Reise und berief das Kabinett für Samstag zu einer Krisensitzung ein.

Präsident Beji Caid Essebsi räumte ein, seine Regierung habe eine sehr schwierige Lage geerbt. „700.000 Menschen sind arbeitslos, 250.000 von ihnen junge Leute mit Hochschulexamen.“ Nach den beiden Terroranschlägen mit 60 Toten in Tunis ist auch die Tourismusindustrie stark erschüttert. Sie war Motor und Rückgrat der Volkswirtschaft. Nach den Attentaten 2015 blieben zwei Millionen Besucher weg – mit über 30 Prozent der schlimmste Einbruch in der Geschichte des Landes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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