Deutschland: Bayern bereitet Klage gegen Berlin vor

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Horst SEEHOFER Ministerpraesident Bayern Einzelbild angeschnittenes Einzelmotiv Portraet Portrait(c) imago/Sven Simon (imago stock&people)
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In einem Brief an Merkel fordert der Freistaat eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik, sonst will München vor das Verfassungsgericht ziehen. Die SPD sieht das als „Ankündigung des Koalitionsbruchs“.

München/Berlin. Im Streit mit der deutschen Bundeskanzlerin, Angela Merkel (CDU), über die Flüchtlingspolitik macht die von der CSU geführte bayerische Landesregierung nun Ernst. Schon vor Wochen hatte der Freistaat dem Bund mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht. Nun bereitet München den Boden, um die Drohung in die Tat umzusetzen. Am Dienstag brachte das Bayerische Kabinett deshalb einen Brief an die Kanzlerin auf den Weg, in dem Merkel offiziell und schriftlich zu einer Kehrtwende in Sachen Flüchtlinge aufgefordert wird.

Das Schreiben sei ein formeller Akt im Zusammenhang mit der angedrohten Klage, erläuterte der bayerische Innenminister, Joachim Herrmann, nach der Kabinettsitzung. Denn vor einer solchen Klage müsse dem Partner unmissverständlich vermittelt werden, was man von ihm erwarte. „Das ist kein Drohbrief, das ist ein Brief, in dem steht, was wir erwarten“, sagte Herrmann.

Inhaltlich wird Merkel in dem Brief aufgefordert, „unverzüglich“ wieder Recht und Ordnung beim Grenzschutz und der Einreise herzustellen. München dringt auf eine wirksame Sicherung der deutschen Grenze und eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr.

Der bayerische Justizminister, Winfried Bausback, will in den kommenden Tagen außerdem festlegen, wer das Bundesland als Prozessbevollmächtigter im Fall einer Klage vertreten soll – auch das gehört zur Vorbereitung. Diese Person soll demnach vorsorglich auch die Klageschrift formulieren.

Ministerpräsident Horst Seehofer argumentierte, Bayern sei juristisch geradezu verpflichtet, so zu handeln. Er hoffe aber noch auf eine zufriedenstellende Antwort der Bundeskanzlerin. Wie lange er Merkel konkret Zeit gibt und wann geklagt würde, sagte Seehofer nicht. Innenminister Joachim Herrmann sprach am Dienstag von „den nächsten Wochen“.

Alarmiert reagierten die deutschen Sozialdemokraten auf den eskalierenden Streit der beiden Schwesterparteien CDU und CSU. „Das ist die Ankündigung des Koalitionsbruchs“, sagte der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann, über den Brief an Merkel aus München. „In einer Koalition schreibt man keine Drohbriefe, sondern löst Probleme.“ Es sei „unerträglich, dass aus CDU und CSU mittlerweile täglich neue Querschläge kommen“. Damit werde die Lösung der Flüchtlingskrise schwieriger.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt wies die dramatische Bewertung Oppermanns zurück. Der Brief mache nur deutlich, dass „dringender Handlungsbedarf“ in Sachen Flüchtlingspolitik bestehe. Doch ist es bereits das zweite Schreiben, das von Merkel einen Kurswechsel verlangt. Erst in der vergangenen Woche hatten Abgeordnete in einem Brief Änderungen verlangt. Angesichts dessen platzte Unionsfraktionschef Volker Kauder am Dienstag der Kragen: Es könne nicht so weitergehen. „Wir sind hier nicht im Kasperltheater, sondern in einer der größten Bewährungsproben des Landes.“ (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2016)

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