Asylwerber und Kriminalität: Ein Prozent wurde auffällig

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In Braunschweig ermittelt eine Sonderkommission zu Flüchtlingen: Probleme gebe es, aber viele Gerüchte seien falsch.

Berlin. „Natürlich gab es politische Vorgaben, wie mit Straftätern umzugehen war, die man als ,Nichtdeutsche‘ bezeichnet“, sagt Ulf Küch, Kriminaldirektor der Kripo Braunschweig und Landesvorsitzender im Bund Deutscher Kriminalbeamter in Niedersachsen. Was vom Gedanken her auch nicht verkehrt gewesen sei, um nicht einzelne Bevölkerungsgruppen zu stigmatisieren. Allein, dadurch entstanden Probleme – so gab es etwa in der Datenverarbeitung der Polizei gar keine Möglichkeit, die Herkunft eines Verdächtigen einzutragen. Dabei könnte genau das hilfreich sein, meint Küch, um bei Bandenkriminalität zu ermitteln. „In Deutschland übertreiben wir es oft.“ Am Ende sei dann gar keine Information mehr nach draußen gegangen. Was spätestens nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht zu Irritationen geführt habe.

Dabei, das hält er fest, gebe es natürlich ein Problem. Allein, viele Zahlen und Geschichten, die in der Öffentlichkeit kursieren, stimmen einfach nicht. Küch weiß das auch deswegen, weil er im Vorjahr in Braunschweig eine eigene Sonderkommission einrichtete, die sich ausschließlich diesem Thema widmen sollte. Ausgangspunkt war ein Erstaufnahmelager in der Stadt, in dem einige Tausend Aslybewerber untergebracht sind. Und ein Anstieg von bestimmten Formen der Kriminalität. Ladendiebstähle, Einbrüche oder Taschendiebstähle nahmen mit Beginn des Jahres 2015 zu. Und die festgesetzten Täter kamen auffallend oft aus ebenjenem Lager.

„Soko Zerm“ statt „Soko Asyl“

Und so gründete Küch Anfang August die „Soko Asyl“. Eine Zusammenstellung von 14 Beamten aus verschiedenen Bereichen, die sich ausschließlich mit Fällen beschäftigt, die Menschen aus der Aufnahmestelle betreffen – die auch gleich wieder umbenannt wurde, um nicht durch den Namen erst recht einen Generalverdacht zu erzeugen. Die „Soko Zerm“ („Zentrale Ermittlungen“) machte sich also auf, Vorfälle zu analysieren und Daten zu liefern, wo die Probleme liegen.

Nach den ersten Monaten legt der Polizist nun eine Bilanz in Buchform vor, in der er seine Erfahrungen schildert. „Es war keine überraschende Erkenntnis“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“. „Ja, die Kriminalität ist gestiegen, aber es ist nicht so dramatisch wie in der Öffentlichkeit dargestellt.“ Und auch der Blick auf die Details lohnt sich. Denn es sei keinesfalls der große Teil der Flüchtlinge gewesen, der Probleme bereitete. Sondern es waren einige bestimmte Gruppen. Häufig habe es sich etwa um Menschen aus dem Kaukasus gehandelt, die während des Flüchtlingsstroms von Landsleuten mit dem Auto nach Deutschland gebracht wurden, „mit dem Auftrag, hier zu klauen“. Auch aus Nordafrika seien Menschen gekommen, die hier kriminelle Taten begehen wollten. Häufig waren es organisierte Banden, die gezielt bestimmte Dinge stehlen und sie dann weiterverbreiten sollten.

Und ja, es gebe Probleme mit alleinstehenden jungen Männern, die Frauen belästigen. Das sei aber häufig gar kein strafrechtliches Problem – sondern müsse auf gesellschaftlicher Ebene bekämpft werden. Gerüchte über Massenvergewaltigungen entbehrten aber jeder Grundlage. Sie würden teils aktiv – auch von der Politik – gestreut und über soziale Medien weiterverbreitet. Fakt sei aber, „dass ausländische Menschen bei Sexualdelikten nicht auffälliger als Deutsche sind“. So wie generell der Anteil von Kriminellen, die mit den Flüchtlingen nach Deutschland eingereist sind, prozentual nicht höher sei als der Anteil von Kriminellen in der deutschen Bevölkerung. Insgesamt sei von den rund 40.000 Menschen im Erstaufnahmelager ein Prozent auffällig geworden.

Die meisten Straftäter habe man mittlerweile auch schon gestellt. Hier sei ein Problem, dass die Menschen keine Papiere haben – und ihre Daten nicht nachgeprüft werden können. Was bei den Ermittlungen schwierig sei, aber auch bei einer eventuellen Abschiebung nach Verbüßung der Strafe. Ein Problem sei auch, dass seit Öffnung der Grenzen Tausende Menschen im Land nicht registriert wurden. „Und da muss etwas passieren“, meint Küch. Damit hier nicht soziale Problemfälle in großer Zahl herangezogen werden, müsste man Mittel in die Hand nehmen und Konzepte durchziehen. Etwa, indem man Menschen nicht ghettoisiert, kleine Wohneinheiten schafft und für Betreuung sorgt. „Es kostet Zeit und Geld, aber die Menschen sind guten Willens, sich tatsächlich in Europa zu integrieren“, sagt Küch. „Man muss es nur machen und darf sie nicht als kriminelles Pack in die Ecke stellen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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